Wenn die Nacht zum Tag wird: Mitternachtssonne erleben
Es ist diese ganz besondere Stimmung in Island, die nur die Mitternachtssonne schafft. Ein für Mitteleuropäer unbekannter Schwebezustand zwischen Tag und Nacht, an dem die Sonne je nach Lage zum Polarkreis gar nicht, oder nur für kurze Zeit untergeht.
In den stillen Juni-Nächten, rund um Mitsommer (21.6.), wenn die Sonne den Horizont zu erreichen sucht, die Mücken über den Seen tanzen und schafige Wollknäuel im Gegenlicht leuchten, ist es Zeit, das Land zu entdecken und atemberaubende Fotos zu machen. Die Geschäftigkeit des Tages verblasst, die Wärme der Sonne ist nur noch ein flüchtiger Hauch auf der Haut.
Es entfaltet sich eine einzigartige Lichtstimmung, die es nur im hohen Norden gibt. Dann werden die Schatten länger und länger, färbt sich graues Land orange, schimmert Nebel bunt und leuchten Wasserfälle golden.
Mitternachtssonne: Nächte voller Magie
Landschaften, die tagsüber schnell durchfahren werden, um von A nach B zu kommen, oder lieblos abgeknipst werden, entfalten eine Magie um ihrer selbst willen.
Eine überschwemmte Wiese wird zum glänzenden Spiegel, wellige Schotterflächen zur beeindruckenden Urlandschaft. Wer jetzt an der Matratze horcht, anstatt dem Ruf der Rotdrossel zu folgen, verpasst die Magie des Nordens.
Aber was ist die Mitternachtssonne?
Als Mitternachtssonne bezeichnet man ein natürliches Phänomen, bei dem die Sonne 24 Stunden am Tag scheint und das im Sommer am Polarkreis und den näheren Regionen auftritt.
Unsere Erde dreht sich auf einer geneigten Achse (Ekliptik) um die Sonne, dadurch ist die Nordhalbkugel im Sommer der Sonne stärker zugewandt und geht eben nicht unter, oder sinkt nur für kurze Zeit unter den Horizont.
Island profitiert von diesem Phänomen, auch wenn es - mit Ausnahme der Insel Grimsey, die sich etwa 40 Kilometer nördlich der Nordküste befindet - nicht auf, sondern etwas unterhalb des Polarkreises liegt.
Ist die Mitternachtssonne im Sommer immer zu sehen?
Die Mitternachtssonne seht ihr natürlich nur in den Nächten, in denen das Wetter entsprechend gut ist. Bei stärkerer Bewölkung oder gar Regen werdet ihr auch keine Mitternachtssonne sehen, auch wenn sie nicht hinter dem Horizont verschwunden ist. In Island werden die magischen Tage übrigens Sumarsólstöður genannt.
Für Islands Frühsommer gilt als: Auch wenn die Mitternachtssonne für kurze Zeit unter den Horizont rutscht, das Licht bleibt und die Dunkelheit kommt nicht dagegen an.
Wie viele Stunden Tageslicht gibt es in Island im Sommer?
Eine präzise Aussage dazu kann nicht gegeben werden. Grundsätzlich habt ihr aber im Norden von Island etwas mehr Tageslicht als im Süden und die Nächte sind etwas kürzer. Im Mai könnt ihr von 17-20 Stunden Tageslicht ausgehen, im Juni erwarten euch 20-21,5 Stunden Tageslicht, im Juli zwischen 18 und 21 Stunden, und selbst im August werden in Island zwischen 18 und 14,5 Stunden Tageslicht erreicht.
Ihr habt im gesamten Sommer wirklich genügend Zeit für Entdeckungen und Fotos. Danach dreht sich der Kreislauf und es wird von Tag zu Tag weniger lang hell als in Deutschland. Die Nächte werden dagegen immer länger, bis am 21.12. der dunkelste Tag mit den wenigsten Tageslichtstunden erreicht ist.
Wie kann ich während der Mitternachtssonne am besten schlafen?
Grundsätzlich ist diese besondere Zeit optimal, um längere Wandertouren zu machen oder besondere Fotos zu schießen. Um wirklich gut schlafen zu können, solltet ihr eine Schlafmaske nutzen.
Hotels und andere Unterkünfte sind zwar meistens mit Verdunklungsgardinen ausgestattet, aber manchen Gast stört schon ein heller Lichtschein, der unter der Gardine durchblitzt.
Wie passe ich mich am besten der Mitternachtssonne an?
Genauso wie beim Jetlag ist es auch bei der Mitternachtssonne am besten, ihr bleibt so lange wach und aktiv, bis ihr wirklich müde seid.
Genießt einfach diese einzigartige Stimmung und denkt nicht an die Uhrzeit. In Island ist es zu dieser Zeit ganz normal, dass die Kinder auch mitten in der Nacht draußen herumtollen.
Ausflug zum Golden Circle nach dem Abendessen
Wie wäre es also mit einem Ausflug zum Golden Circle? Und zwar nicht dann, wenn alle anderen tagsüber unterwegs sind, sondern zum Beispiel nach dem Abendessen? Wenn ihr ein Ferienhaus gebucht habt, dann grillt doch Gemüse oder Fisch auf der Terrasse, genießt das Essen (vielleicht in eine kuschelige Decke gehüllt) und fahrt erst anschließend los.
Geysir, Godafoss oder die Fjorde sind auch um Mitternacht wunderschön und geben mit dem besonderen Licht der Mitternachtssonne zusätzlich fantastische Fotomotive ab. Also, nehmt ausreichend Speicherkarten mit, damit ihr für eure Fotos genügend Platz habt.
Erlebnisse unter der Mitternachtssonne
Falls ihr begeisterte Golfer seid, dann müsst ihr unbedingt die Arctic Open in Akureyri besuchen, erster Abschlag bis 22 Uhr! Und es ist egal, ob ihr nur kommt, um das sportliche Schauspiel in den hellen Nächten zu besuchen und eventuell ein paar Fotos zu machen, oder sogar selbst am Tee steht.
Denn die Open sind auch für Amateure geöffnet, und die Mitternachtssonne verwandelt das Turnier immer in ein unvergessliches Erlebnis.
Whale Watching und Fliegenfischen im Schein der hellen Nächte
Wie wäre es mit einer Whale Watching-Tour? Ihr könnt entweder von Reykjavík hinaus in die Bucht Faxaflói starten oder von Húsavík im Norden von Island in See stechen, um die Meeressäuger unter den Sonnenstrahlen der Mitternachtssonne zu beobachten.
Ihr interessiert euch für Angeln oder Fliegenfischen? In den langen Nächten der Mitternachtssonne, wenn die Mücken über den Flüssen tanzen, beißen Lachs und Forelle besonders gut.
Von Reykjavík aus die Mitternachtssonne erleben?
Ihr seid nur kurz in Island, möglicherweise nur auf einen Stop-over und wollt trotzdem die Mitternachtssonne erleben? Wie wäre es mit einer Wanderung auf die Esja, den Hausberg der Hauptstadt?
914 Meter hoch ist der von Reykjavík aus deutlich sichtbare Berg und für eine Wanderung unter der Mitternachtssonne genau richtig, denn von oben habt ihr einen atemberaubenden Blick über das Meer und die Metropoloregion Reykjavík. Und besonders beeindruckend ist der Blick eben im Schein der Mitternachtssonne.
Gute Ausrüstung nötig
Bevor ihr allerdings startet, solltet ihr euch nach dem Wetter erkundigen und außerdem für die Tour mit ausreichend Proviant und guten Wanderklamotten (Zwiebelprinzip!) ausgestattet sein. Die Esja ist KEIN Berg, der mit Turnschuhen bestiegen werden sollte.
Wenn ihr das bedenkt und gut zu Fuß seid, dann werdet ihr den Aufstieg in etwa zwei Stunden schaffen und oben mit einem herrlichen Panorama und einer Menge toller Foto-Motive beschenkt. Auf dieser Tour werdet ihr ca. 730 Höhenmeter zurücklegen, die Wege sind beschildert. Wichtig: Die Esja ist gerade an Wochenenden und in hellen Nächten ein beliebtes Ziel für IsländerInnen.
Typisch Island. Schnorcheln unter der Mitternachtssonne
Wem die Esja nicht genug ist, der kann auch untertauchen, und zwar in der Silfra-Spalte im Thingvellir Nationalpark etwa 50 Kilometer nordöstlich von Reykjavík.
Der Nationalpark ist Teil des Golden Circle. Das orange Licht der Mitternachtssonne wirft in den hellen Nächten von Mai bis Juli zwischen den gewaltigen Erdspalten lange Schatten, die Gischt des Öxaráfoss färbt sich golden und die Blätter der Polarbirken strahlen.
Auch das ist Island: Picknick mitten in der Nacht
Wenn ihr ein ganz persönliches Mitternachtssonnen-Erlebnis sucht, dann packt ein Picknick in euren Rucksack und wandert auf den gut beschilderten Wegen im Nationalpark bis zum Ufer des Thingvallavatn.
Sucht euch ein perfektes Plätzchen, blickt hinaus in die Weite der isländischen Urlandschaft und lasst euch von den sanften Strahlen der Mitternachtssonne wärmen. Diese magischen Augenblicke werdet ihr niemals vergessen, versprochen!
Fotos: Thomas Linkel (13), Tourism North Iceland (2), Elli Thor (1)