Silvester in Island: Böllern und Bäume pflanzen
Silvester in Island feiern geht auf zwei wunderbare Arten: Entweder bei einem der legendären Feuerwerke in Reykjavík und anschließend in den Bars und Clubs der Stadt. Oder inmitten der Stille der Natur, wo statt eines Raketenspektakels womöglich Nordlichter am Himmel zu sehen sind.
Wer das erste Mal an Silvester in Island und mit den Bräuchen der einheimischen Bevölkerung noch nicht vertraut ist, wird vermutlich erstaunt sein über den Ablauf der Ereignisse am 31. Dezember, gerade in Reykjavík.
Aber der Reihe nach, denn zunächst scheint nämlich alles noch gar nicht ungewöhnlich: Die Familien sitzen abends zu Hause bei einem festlichen Essen (am letzten Tag des Jahres ins Restaurant zu gehen, ist in Island nicht üblich) und genießen das Beisammensein. Immer wieder - das kennen wir aus Deutschland ja durchaus sehr gut – ist das Zischen und Knallen von früh gestartete Raketen zu hören.
Generationenübergreifend: Feiern am Freudenfeuer
Etwa gegen 20.30 brechen die Familien zu einem Spaziergang auf, der sie zum nächstgelegenen Freudenfeuer bringt. Weit gehen muss dafür niemand – zumindest in der Hauptstadt nicht: Allein in Reykjavík soll es zum Jahreswechsel mehr als 20 Freudenfeuer über alle Stadtteile verstreut, geben.
Jung und Alt versammeln sich hier, sinnieren über das vergangene Jahr, schmieden Pläne für das nächste oder genießen einfach den Blick in die knisternden, lodernden Flammen. Dann, ab etwa 22 Uhr, passiert das besagte Außergewöhnliche: Die meisten Menschen, auch die jüngeren, ziehen nicht etwa weiter in Bars und Clubs, um da ausgiebig zu feiern, sondern – wieder nach Hause.
Silvester in Island: Die Stille vor dem Sturm
Es wird still in den Straßen Reykjavíks. Man hört (fast) keine Feuerwerke, keine Autos.
Die einzigen Passanten sind ahnungslose TouristInnen und HundebesitzerInnnen, die ihre Schützlinge in der entstandenen Ruhe schnell noch einmal Gassi führen wollen. Was ist passiert? Warum haben sich die fröhlichen Versammlungen an den Feuern so abrupt aufgelöst? Welche Macht zieht die feuerwerks- und feierbegeisterten IsländerInnen wieder zurück in die eigenen vier Wände?
Straßenfeger: Der TV-Jahresrückblick „Áramótaskaup“
Die Antwort ist so einfach wie erstaunlich: Es ist eine TV-Sendung, die an Silvester die Straßen in Island leer fegt, ein satirischer Jahresrückblick namens „Áramótaskaup“, den 90 Prozent der IsländerInnen nicht verpassen wollen. Die legendäre Comedyshow, häufig auch „Skaupid“ genannt, fasst die wichtigsten Ereignisse der letzten 12 Monate auf humoristische Weise zusammen, die guten sowie die schlechten.
Das Jahr humoristisch ausklingen lassen
Und wenn man selbst über die negativen Nachrichten herzhaft lachen kann und darf, dann ist das Katharsis in Reinform und optimale Voraussetzung, um anschließend weiter ausgelassen in Bars und Clubs, auf der Straße oder privat zu feiern.
„Áramótaskaup“ startet um 22.30 Uhr auf den Sendern RÚV1 und RÚV2; bei letzterem mit englischen Untertiteln. So können auch BesucherInnen aus dem Ausland am nächsten Tag über die Sendung diskutieren – so, wie es am 1. Januar sehr viele IsländerInnen ausgiebig tun.
Beschwingt weiterfeiern mit Feuerwerk
Aufgeheitert vom gemeinsamen Fernsehspaß geht es ab 23.30 Uhr wieder ins Freie – zum großen Finale der Feierlichkeiten: Dem Feuerwerk, das wirklich bombastisch und mittlerweile international berühmt (und berüchtigt) geworden ist wegen seiner Dauer und Intensität.
Die prachtvolle Himmelsshow ist überall in der Stadt sichtbar, viele Menschen treffen sich um die Kirche Hallgrímskirkja im Zentrum. Ein besonderer Spot zum Zuschauen ist sicherlich auch der Hügel Öskjuhlíd südöstlich des Stadtzentrums.
Auf der Hügelspitze haben die Isländer die Heißwassertanks der Hauptstadt gebaut und das Gebäude mit einer Kuppel versehen, die sich dreht und Perlan (dt. Perle) genannt wird. Von hier oben ist das Feuerwerk phänomenal – wie auch bei den Mitternachts-Bootstouren, die man buchen kann. Hunderte Millionen isländischer Kronen werden übrigens jährlich für das Feuerwerk ausgegeben, aber eines ist hier wichtig zu wissen: Die Böllerei dient in Island einem guten Zweck!
Silvester in Island: Feuerwerk für den guten Zweck
Denn der Verkauf von Raketen ist (noch) eine der wichtigsten Einnahmequellen der ICE-SAR, der Icelandic Search And Rescue Association . Die 1918 gegründete Organisation mit ihren circa 100 Rescue-Teams, die sich aus etwa 4500 Freiwilligen rekrutieren, ist unverzichtbar in Island, das über keine Armee und nur eine kleine Küstenwache verfügt. Zu hunderten Rettungseinsätzen im Jahr rückt die ICE-SAR aus – an Land, im hochalpinen Gelände und auf teils sehr stürmischen See; staatliche Unterstützung erhält die Organisation allerdings keine.
Dafür besitzt sie einen 75-prozentigen Anteil am landesweiten Feuerwerksmarkt und konnte durch die Erlöse aus dem Verkauf von Raketen und Co. in den letzten Jahren bis zu 60 Prozent ihrer jährlichen Gesamtkosten decken, in ländlichen Gebieten mit kleineren Einsatzgruppen sogar bis zu 90 Prozent.
Aus Silvester wird ein Wald …
Ähnlich wie in Deutschland ist natürlich auch in Island das Bewusstsein über die umwelt- und gesundheitsschädlichen Folgen der Silvester-Böllerei genauso gestiegen. Die ICE-SAR hat 2018 deshalb zusammen mit der Icelandic Forestry Association das Projekt „Skjótum rótum“ (etwa: Wurzeln schießen) ins Leben gerufen und in all ihren Verkaufsstellen zum ersten Mal neben Feuerwerkskörpern auch Baumsetzlinge angeboten.
13.00 Jungpflanzen verkauft
Gut 13.000 dieser Jungpflanzen wurden bereits an Silvester 2018 verkauft – und im Laufe des Jahres 2019 in der Nähe der Hafenstadt Porlákshöfn gepflanzt.
Der Name des Waldes, der dort entsteht, ist stimmig: Áramót, soll er heißen, also Jahreswechsel. In der Zwischenzeit wurde beschlossen, das Projekt zu wiederholen. Bis mindestens 2023 arbeiten ICE-SAR und verschiedene isländische Waldverbände jetzt weiter am „Skjótum rótum“ und wollen natürlich noch viel, viel mehr Setzlinge verkaufen, sodass der Wald namens “Jahreswechsel” wächst und wächst und wächst …
Und nach dem Feuerwerk-Spektakel?
Wer am Silvester in Reykjavík nach dem Himmels-Spektakel gerne noch etwas feiern will, der kann das ausgiebig in den zahlreichen Bars und Clubs der Stadt tun.
Am lebendigsten ist das Nachtleben im Dreieck aus den Straßen Frakkarstígur, Skólavördustígur und Laugarvegur – hier findet wirklich jede und jeder die passende Party - und zwischen Ingólfstorg und Hafen. Und wer aus irgendeinem Grund am 31. Dezember die Pyro-Show verpasst hat, muss nicht trauern: Bis zum 06.01., dem offiziell letzten Weihnachtstag, befördern die IsländerInnen immer noch mit großem Enthusiasmus die übrig gebliebenen Feuerwerkskörper in den Himmel.
In Island lieber ruhig Silvester feiern? Dann hier entlang!
Natürlich geht es an Silvester in Reykjavík und anderen (größeren) Orten rund, und natürlich ist das nicht jedermanns Sache.
Wer den Jahreswechsel lieber ruhig verbringen will, dem empfehlen wir den Aufenthalt in einem Ferienhaus abseits des Trubels, dafür umgeben von beindruckender Natur, beispielsweise im Süden der Insel , am See Mývatn , rund um Akureyri im Norden oder im Osten des Landes. Dick eingepackt auf der eigenen Terrasse sitzen, etwas Warmes zu trinken in den Händen, die einmalige Stimmung genießen – und mit etwas Glück Nordlichter sehen – das ist einmalig.
Island genießen im Winter
Neben Feuerwerk an Silvester und tanzenden Nordlichtern (zu keiner Jahreszeit ist die Chance, sie in Island zu sehen, größer als jetzt) hat Island im Winter noch vieles mehr zu bieten.
Natürlich: Die hellen Stunden sind rar, die Dämmerungszeiten lang und die Tage geprägt vom häufigen Wechsel zwischen mildem, sonnigem Wetter und aufregenden Schneestürmen, aber gerade das ist ja der Reiz dieser Jahreszeit. Und verschneite, stimmungsvolle Landschaft, gefrorene imposante, Wasserfälle und Eishöhlen, die man besuchen kann machen die Insel in der kalten Zeit wirklich zu einem unvergesslichen Reiseziel
Schwimmen und Sightseeing an Neujahr
Ob man Silvester in Island nun ausgelassen feiern geht oder den Jahreswechsel gemütlich im eigenen Ferienhaus verbringt – der 1. Januar ist für Entspannung da.
Besonders erholsam ist der Besuch in einem der zahlreichen tollen Schwimmbäder, die in der Hauptstadt und auf der gesamten Insel verteilt sind und oft auch an Neujahr geöffnet sind. Wer in Reykjavík ist und es am Vorabend nicht übertrieben hat, der kann in aller Ruhe die Stadt oder die Halbinsel Reykjanes erkunden.
Und wer in einem Ferienhaus wohnt, hat die Chance, ansonsten stark frequentierte Highlights ohne große Touristenmenden zu besuchen. Während sich PartygängerInnen also vormittags noch erholen von ihrer Sause in Clubs und Bars, sind die Fitten schon am Golden Circle , am Diamond Beach oder am Wasserfall Godafoss unterwegs.
Feuerwerk ja, Silvester nein?
Wenn ihr jetzt sagt: „So ein bombastisches Feuerwerk in Island würde ich tatsächlich gerne auch einmal sehen, aber vielleicht doch nicht unbedingt im Winter“ – dann aufgepasst:
Es gibt auch im Sommer großartige Feuerwerke, zum Beispiel das an der Gletscherlagune Jökulsárlón, wo der Erlös aus dem Ticketverkauf ebenfalls an die Icelandic Search And Rescue Association geht.. Tolle Spektakel im August gibt es auch bei der Kulturnacht in Reykjavík oder beim Musikfestival Pjódhátíd auf der Insel Heimaey (Westmännerinseln).
Fotos: visitreykjavik (5), Thomas Linkel (3), unsplash: Nicolas J Leclercq (5), Jonatan Pie (2), Anthony Delanoix, Erwan Hesry, Ian Schneider, Olivier Bergeron, Tessa Rampersad, Mike Swigunski, Nabeel Hussain,