Skaftafell liegt direkt an der Ringstraße. Wenn ihr aus Richtung Kirkjubaerjarklaustur kommt, dann leuchten euch schon aus der Ferne das eisbedeckte Massiv des Öraefajökull mit dem Gipfel Hvannadalshnúkur, des höchsten Berges von Island, und seine Nachbarberge entgegen.
Sander, Gletscher und Lavafelder
Auf dem Weg von Kirkjubaerjarklaustur habt ihr Lavafelder, das imposante 688 Meter hohe Kliff Lómagnúpur und endlos scheinende, schwarze Sanderflächen mit weit verzweigten Gletscherflüssen gequert. Dieses Schwemmgebiet erstreckt sich auf einer Fläche von 1.300 Quadratmetern von der Gletscherzunge Skeidarárjökull, der ein Teil des Vatnajökull ist, bis zum Meer im Süden.
Gletscherlauf nach Vulkanausbruch
Im Jahr 1996 ereignete sich im Bereich des Vulkans Grímsvötn ein mehrere Wochen dauernder Ausbruch unter dem Vatnajökull. Darauf füllte sich eine unter dem Eis befindliche Caldera so lange mit dem Schmelzwasser, bis sich Teile des Gletschers hoben und die Ebene überfluteten.
Typisch für Island
Dieses „Gletscherlauf“ genannte Naturphänomen überschwemmte einen großen Teil des Sanders und zerstörte die dort verlaufenden Stromleitungen sowie die über 900 Meter lange Skeidarárbrú-Brücke komplett. Eisberge, so groß wie mehrstöckige Wohnhäuser, wurden von den Wassermassen mitgerissen und verformten, zerbrachen die Stahlträger wie Streichhölzer.
Eigentlich massive, aber völlig verbogene Stahlträgerreste erinnern an einem Parkplatz kurz vor Skaftafell eindrücklich an die Kraft dieses Naturereignisses. Gletscherläufe sind ein typisch isländisches Phänomen, denn sie treten nur dann auf, wenn Vulkane unter einem Gletscher ausbrechen und dadurch große Eismengen geschmolzen werden. Die Beschreibung „Land aus Feuer und Eis“ ist nirgends passender.
Bewaldetes Wandergebiet
Je näher ihr nun dem Nationalpark kommt, desto deutlicher erkennt ihr ein bewaldetes Gebiet auf einem Berghang zwischen Gletscherzungen, das Kernstück des Parks.
An dessen Fuß befinden sich das Nationalparkzentrum und ein großer Campingplatz, den ihr als Ausgangspunkt für eure Wanderungen in den Nationalpark nutzen könnt.
Mehr als ein Gletscher
Östlich und westlich ist Skaftafell von Gletschern umgeben: Im Westen befindet sich der Skeidarárjökull, ein Vorlandgletscher größer als jeder Gletscher des europäischen Festlands.
Im Osten liegen der Skaftafellsjökull und der Svínafellsjökull, die bis Anfang des 20. Jahrhunderts im Vorland noch zusammenflossen, heute aber mehr als zwei Kilometer voneinander entfernt im Schwemmland auslaufen.
Besonderes Mikroklima
Für isländische Verhältnisse ist das Klima in Skaftafell recht mild, da die Berge rund um den Öraefajökull Ostwinde abhalten. Das ist auch einer der Gründe, dass sich in direkter Nachbarschaft zu Gletschern ein Birkenwald entwickeln konnte, in dem sich Bekassinen, Rotdrossel und Wiesenpieper wohlfühlen.
Während sich im unteren Bereich des Berghangs von Skaftafell besonders Moorbirken, Glockenblumen und Wald-Engelwurz halten, wachsen oberhalb der Baumgrenze auf der Skaftafellsheidi strauchartige Polarbirken und Gräser, bis sich schließlich ein steiniger, beinahe völlig vegetationsloser Bereich anschließt.
Wandertouren für jeden Fitnesslevel
Das Besondere am Skaftafell-Nationalpark ist das gut ausgebaute und beschilderte Wegnetz. Auf euch warten je nach Lust und Fitnesszustand Wanderungen mit Spaziergang-Charakter bis hin zu mehrtägigen Bergtouren für Spezialisten.
Zum Aussichtspunkt Sjónarnípa
Eine leichte Wanderung, die euch aber trotzdem ganz unterschiedliche Naturerlebnisse bietet, führt zum Aussichtspunkt Sjónarnípa.
Startet vom Parkplatz des Nationalparks auf den Weg S5/S6 und folgt dem schmalen Wanderweg im lichten Birkenwald. Ihr werdet Bäche überqueren, Birkenpilze sehen und immer wieder leises Vogelzwitschern auf dem Weg bergauf hören. Bei Hrútagil öffnet sich der Blick Richtung Südwesten und ihr seht auf den von schimmernden Flussläufen durchzogene Skeidarársandur.
Picknick mit Aussicht
Folgt dem Pfad weiter und erreicht nach etwa 20 Minuten den Aussichtspunkt Sjónarnípa. Dies ist der ideale Platz für ein Picknick mit atemberaubender Aussicht. Ihr seht nun nicht nur den Skeidarársandur, sondern auch die Gletscherzunge des Skaftafellsjökull, die sich über zehn Kilometer vom Eisplateau des Vatnajökull ins Vorland schiebt.
Die Eismasse schimmert in verschiedenen Blautönen, dazwischen seht ihr Bereiche der Gletscherzunge, die schwarz von Vulkanasche und grau-braun vom herabstürzendem Geröll der Talwände ist. An seinem Ende mündet der Gletscher in einen See, auf dessen Oberfläche Eisschollen treiben.
Ein Highlight in Island: Der Wasserfall Svartifoss
Von hier führt der Wanderpfad über die manchmal sehr windige Skaftafellsheidi, bis er an der Abzweigung zur bekanntesten Sehenswürdigkeit des Nationalparks, dem Wasserfall Svartifoss, vorbeiführt.
Der Svartifoss ist völlig zu Recht eines der beliebtesten Fotomotive Islands. Der Bach Stórilaekur fällt in ein Halbrund aus etwa 20 Meter hohen, senkrecht stehenden Basaltsäulen. Auf aus der Felswand abgebrochenen Säulenteilen wächst dichtes, grünes Moss, auf halbmeterhohem Engelwurz sammeln sich Gischttropfen.
Wenn ihr euch vom betörend schönen Svartifoss losgerissen habt, folgt ihr dem Weg bergab und passiert noch die Wasserfälle Magnúsarfoss, Hundafoss und Thófafoss, bevor ihr nach etwa drei Stunden wieder am Campingplatz ankommt.
Weitere Wandertipps im Nationalpark Skaftafell
Zum Skaftafellsjökull
Dies ist eher ein 60- bis 90-minütiger Spaziergang denn eine Wanderung. Vom Zentrum des Skaftafell-Nationalparks geht ihr auf teilweise asphaltierten, teilweise geschotterten Wegen zunächst bis zu einem Aussichtspunkt auf den Skaftafellsjökull.
Manche drehen hier schon um, aber ihr könnt dem Weg auch noch bis zur Gletscherzunge folgen und den Eispanzer aus der Nähe betrachten.
Auf den Berg Krístinartindar
Hierbei handelt es sich um eine Tagestour (6–8 Stunden) auf den 1.126 Meter hohen Berg, der eigentlich ein Teil des erloschenen Vulkans Skaftafell ist. Zu beachten ist, dass der Weg je nach Wetterereignissen bis in den Juni gesperrt sein kann. Auch solltet ihr bei der Auswahl eurer Ausrüstung bedenken, dass die Gipfelregion zu Beginn des Sommers möglicherweise schneebedeckt ist.
Wasserfall vor Aufstieg
Der etwa 18 Kilometer lange Rundweg führt euch vom Campingplatz Richtung Svartifoss. Überquert den Bach auf der Brücke am Magnúsarfoss und steigt weiter nach Sjónarsker.
Biegt an der Kreuzung am Fuß des Kristínartindar links ab und wandert über einen Hang mit Felsgeröll bis zum Gipfel des Bergrückens. Dann biegt ein weiteres Mal links ab und steigt die letzten Höhenmeter bis zum Gipfel.
Gipfelglück
Der Ausblick über die Eiswelt des Vatnajökull und über den Skeidarársandur ist gigantisch und unvergesslich. Wenn der Wind aus Norden über den Gletscher weht, kann es selbst bei Sonnenschein empfindlich kalt werden. Für diese Tour ist etwas Wandererfahrung notwendig und v.a. passende Ausrüstung, um auf plötzlich umschlagendes Wetter vorbereitet zu sein.
Kjós und Morsádalur
Diese Tour ist ohne Abstecher zum Skeidarárjökull etwa 20 Kilometer lang und führt euch durch unbesiedeltes Gebiet bis in das tief eingeschnittene Tal Kjós. Aufgrund der Länge des Weges ist es erlaubt, im Tal zu zelten, was ansonsten im Nationalpark nur auf dem Campingplatz am Besucherzentrum gestattet ist.
In Island ist Vorbereitung wichtig!
Erkundigt euch bei den Rangern über den Zustand des Weges und die Brückensituation! Vom Skaftafell-Campingplatz macht ihr euch Richtung Sjónarsker auf und weiter nach Morsárdalur. Ihr überquert die Fußgängerbrücke über den Fluss Morsá und folgt dem Weg in den Baejarstadarskógur.
Am Wegweiser im Wald biegt ihr rechts ab und wandert dann über schmale Pfade und über verschiedene Bäche in das Tal hinein. Bleibt dabei immer auf der westlichen Seite des Morsárdalur und ihr werdet nach einiger Zeit im Osten den Morsárjökull sehen. Bei dieser Tour ist es wichtig, dass ihr gute Ausrüstung nutzt und wandererfahren seid, da ihr euch den Weg zum Teil selbst suchen müsst!
Noch ein Abstecher zum Gletscher?
Auf dem Rückweg könntet ihr die Tour bis zum Skeidarárjökull verlängern. Dazu müsst ihr euch am Ausgang der Schlucht Vestragil immer am Talhang Hamragilsaxlir halten und nicht das Morsárdalur Richtung Götugil queren.
Folgt dem Hang für ca. drei Kilometer und ihr erreicht den östlichsten Rand des Skeidarárjökull. Der Rückweg erfolgt dann über die Brücke nach Götugil und dann auf dem markierten Weg zum Skaftafell-Besucherzentrum. Die Gesamttour hat eine Länge von ca. 27 Kilometern.
Typisch Island: Die Auswahl ist groß
Welche Tour ihr für euch im Skaftafell-Nationalpark perfekt ist, solltet ihr vom Wetter und euren Fähigkeiten abhängig machen, aber sicher ist, dass ihr dieses Gebiet zwischen den Gletschern so schnell nicht vergessen werdet.
Und was kommt danach?
Wenn ihr genügend Zeit im Skaftafell-Nationalpark verbracht habt und weiter nach Osten reist, fahrt ihr immer wieder an Gletscherzungen des Vatnajökull vorbei.
Einer der Höhepunkte eures Urlaubs in Island wartet nicht allzu weit entfernt auf euch: die Gletscherlagune von Jökulsárlón, aber das ist eine andere Geschichte.
Fotos: Thomas Linkel (16), Carina Pilz (1), Marek Piwnicki/Unsplash (3)