Island Tierwelt
Wer in Island lebende Tiere nennen soll, dem fallen meist zuerst die Pferde ein. Dann die Schafe und vielleicht die Wale. Dass einer der zahlreichen Vögel, die auf der Insel nisten, Islands Nationaltier ist, wissen nicht so viele. Und das einzige heimische Säugetier, das nicht „importiert“ wurde, kennen die wenigsten. Zeit, das zu ändern – mit diesem Beitrag.
Islands isolierte Lage im Nordatlantik hat dazu geführt, dass sich eine faszinierende Vielfalt an Tieren entwickelt hat, die an die extremen Bedingungen der Umgebung angepasst sind. In diesem ersten Beitrag über die isländische Tierwelt stellen wir euch die „Big Player“ der Insel vor.
Der heimliche Herrscher: Der Polarfuchs
Der Polarfuchs (isländisch Melrakki) kam, sah – und musste bleiben. Die Vorfahren des heute in Island lebenden Fuchses stammen aus der Arktis und waren während der letzten Eiszeit über eine Eisbrücke nach Island gewandert. Ob sie auf der unwirtlichen Insel dauerhaft leben wollten - man weiß es nicht.
Jedenfalls schmolz das Eis vor gut 10.000 wieder und verhinderte eine Rückkehr ohnehin. Der Polarfuchs passte sich an das raue Klima und das Nahrungsangebot (Beeren, Eier, Vögel, wirbellose Tiere etc.) an und wurde zum ersten an Land lebenden Säugetier von Island.
Die Zeit der Besiedlung: neue Tiere für Island
Mit den ersten dauerhaften Siedlern kamen Ende des 9. Jahrhunderts weitere Säugetiere, Pferde, Schafe und Kühe, nach Island. Für den Polarfuchs wurde es ungemütlicher. Die Menschen begannen ihn zu jagen, zunächst wegen seines begehrten Pelzes, später vor allem, um die Viehbestände zu schützen.
Mittlerweile darf der Polarfuchs nur noch mit Jagdlizenz geschossen werden, sein Bestand wird kontrolliert. Heute leben etwa 8000 der Tiere auf Island, im Jahr 1964 waren es nur mehr 1300.
Paradies für Polarfüchse: Hornstrandir in den Westfjorden
Polarfüchse sind überall in Island zu finden, aber der größte Bestand kommt in den Westfjorden vor, genauer gesagt, im Naturreservat Hornstrandir im äußersten Nordwesten der Insel.
Dort sind die Tiere geschützt und teilweise so zahm und neugierig, dass sie sich im Sommer mitunter aus nächster Nähe fotografieren lassen. In Súdavík befindet sich das kleine, aber sehr informative Polarfuchszentrum, eine Forschungseinrichtung mit angeschlossenem Café.
Mehr Schafe in Island als Menschen
8000 Füchse in Island? Das entlockt den Schafen auf der Insel nur ein müdes Blöken. Zwar befand sich ihre Anzahl laut isländischem Landwirtschaftsministerium im Jahr 2020 mit gut 400.000 auf einem historischen Tiefstand, aber es leben immer noch mehr Schafe als Menschen (370.000) auf der Insel.
Wie die Pferde und Kühe kamen auch die Schafe mit den ersten Siedlern im 9. Jahrhundert in ihre neue Heimat und sind nach über 1000 Jahren Anpassung an das raue Klima eine außergewöhnliche, genetisch isolierte Rasse.
Komme, was Wolle: Schafe sind die Nutz-Tiere in Island
Ohne die widerstandsfähigen Schafe, ihr Fleisch und ihre Wolle, wären die frühen Siedler angesichts der unwirtlichen Bedingungen in ihrem neuen Zuhause vermutlich aufgeschmissen gewesen. Lammfleisch ist bis heute übrigens Bestandteil vieler traditioneller isländischer Gerichte (wie dem Hangikjöt, dem geräucherten Lammfleisch).
Und da ist natürlich noch der berühmte Islandpullover aus der besonders robusten Wolle der Schafe, der nicht nur von TouristInnen heiß geliebt, sondern auch von vielen Einheimischen mit Stolz getragen wird.
Abenteuer mit Tradition: Der alljährliche Schafabtrieb in Island
Auch wenn Island längst nicht mehr die Bauernnation von früher ist, gibt es rund um die Schafe Traditionen, die jedes Jahr stattfinden: Im Frühsommer werden die Schafe ins Hochland getrieben, ab Ende August sammeln die Schafbesitzer ihre Tiere beim „Göngur“, dem Schafabtrieb, wieder ein und bringen sie nach Hause zu den Höfen.
Das Suchen und Zurücktreiben geschieht per Fuß, Pferd, Motorrad oder Squad und kann mehrere Tage dauern, weil die Schafe sich den Sommer über natürlich weit über das Land verteilt haben, in den Bergen, auf Lavafeldern, an Seen und Flüssen.
Auf den „Göngur“ folgt der „Rettir“, bei dem die Bauern ihre Tiere aus den zurückgetriebenen Herden sortieren. Der Schafabtrieb gehört zum isländischen Lebensrhythmus und ist ein großes festliches Ereignis, an dem Jung und Alt teilnehmen.
Vögel satt in Island: Ein Traumziel für Ornithologen
Wer Vögel mag, wird Island lieben: Mit fast 400 nachgewiesenen Arten, europäischen, amerikanischen und solchen, die sonst nur auf Grönland und Spitzbergen anzutreffen sind, bietet die Insel unzählige Möglichkeiten für Vogelbeobachter und Naturliebhaber.
Die beste Beobachtungszeit ist Mitte Mai bis Ende Juni, aber weil viele Vögel ganzjährig auf Island leben und es dazu zahlreiche „Sommerfrischler“ und im Frühjahr und Herbst viele „Durchzügler“ gibt, kommen Vogelkundler wie interessierte Laien ganzjährig auf ihre Kosten, im Landesinneren wie an der Küste.
Látrabjarg und andere Vogel-Hot-Spots
Die Steilküste Látrabjarg in den Westfjorden von Island gilt als einer der größten Vogelfelsen der Welt.
Hier, am westlichsten Punkt Europas, nisten im Sommer Tausemde von Seevögeln, darunter Möwen, Basstölpel, Lummen und Tordalken. Mit etwas Glück kann man sogar einen Seeadler erspähen. Und natürlich nistet in Látrabjarg auch der berühmte Papageientaucher …
Der ist nicht nur das Nationaltier von Island, sondern für viele TouristInnen auch eines der beliebtesten Fotomotive überhaupt. Was angesichts seines süßen Watschelgangs und seines putzigen Aussehens kein Wunder ist. Wir sind übrigens in einem eigenen Beitrag dem Papageientaucher auf der Spur.
Látrabjarg ist nicht das einzige Vogel-Eldorado in Island: Da gibt es unter anderem noch die Vogelfelsen auf den Westmännerinseln und auf der Halbinsel Reykjanes, den See Mývatn, wo sämtliche Enten-Arten brüten, die Halbinsel Snaefellsnes mit großen Kolonien von Küstenseeschwalben, die Hochlandoasen, wo im Sommer Tausende Kurzschnabelgänse ihre Eier bewachen, oder die Schlucht Ásbyrgi, einem Nistplatz für Rotdrossel, Pfeifente, Odinshühnchen und Eissturmvogel.
Majestätische Tiere: Wale in Island
Ein weiterer Höhepunkt der Tierwelt Islands sind die Wale. Gut zwölf Arten der beeindruckenden Meeressäuger tummeln sich vor Islands Küsten, unter anderem Buckel-, Blau-, Zwerg, Finn- und Pottwale.
Eine Whale-Watching-Tour sollte also auf keiner To-do-Liste für Island fehlen, zumal sich in den letzten 20 Jahren einige Orte darauf spezialisiert haben. Touren finden das ganze Jahr über statt, die beste Reisezeit zur Walbeobachtung beginnt aber im März und endet im Oktober.
Auf zur Wal-Beobachtung!
Das Mekka der Whale-Watching-Touren in Europa ist die Stadt Húsavik im Nordosten von Island: Hier sprechen viele der Anbieter von einer neunzigprozentigen Chance auf Walsichtung, aber es kann oft natürlich bis zu zwei Stunden dauern, bis man auf einer der Touren die Heckflosse eines der stolzen Tiere über dem Wasser sieht. Weitere Whale-Watching-Touren gibt es unter anderen in Akureyri, Reykjavík, Dalvik oder auf Snæfellsnes.
Tolle Tiere: Robbenglück auf Vatnsnes
Die Halbinsel Vatnsnes im Norden von Island wird eingerahmt von dem Fjord Midfjördur und der Bucht Húnaflói und kann auf einer Schotterstraße umrundet werden.
Sie ist Heimat vieler Schafe, Pferde und Papageientaucher und bietet dazu unberührte Landschaft satt: schwarze Strände, über 1.000 m hohe Berge, im Sommer saftig grüne Wiesen, tolle Aussichtspunkte mit Blick auf die Westfjorde.
Einwanderer aus Norwegen: 13 Rentiere in Island
„Es war einmal ein König, der schenkte einem anderen Land 13 Rentiere, damit sie dort gediehen und den Bewohnern Nahrung schenkten.“ Was sich märchenartig anhört, beschreibt tatsächlich die Geschichte der ersten Rentiere in Island. Denn im Jahr 1771 schenkte der dänische König dem Volk auf der unwirtlichen Insel im Nordatlantik 13 Rentiere, um die Fleischbeschaffung zu erleichtern. Das war gut gemeint, aber verlief nicht so wie gedacht.
Im kargen Osten zu Hause
Denn die Zucht kam, auch weil sich die Isländer nicht auskannten mit den geschenkten Tieren, nie so richtig in Fahrt. Die Rentiere siedelten sich schließlich wild auf ganz Island an, leben heute aber ausschließlich im östlichen Hochland und Nordosten von Island.
Manchmal kann man sie aber auch rund in der Region Höfn sehen. Nur im Winter, wenn das Nahrungsangebot in ihren angestammten Gefilden knapp wird, kommen sie herunter in die Ostfjorde – ein Grund, warum man die Tiere als TouristIn nur schwer zu Gesicht bekommt.
Chancen auf Rentier-Watching
Die Chancen, einige der mehreren Tausend Rentiere (ihr Bestand wird seit dem 19. Jahrhundert durch Jagd reguliert) in freier Wildbahn zu sehen, stehen am besten in folgenden Regionen: dem atemberaubenden Laugarfell im östlichen Hochland von Islands, der kleinen Gemeinde Seydisfjördur im Osten Islands und rund um den Snæfell.
Die bekanntesten Tiere von Island: die berühmten Pferde
Es gibt Tiere, die man mit Island verbindet wie die roten Doppeldecker-Busse mit London und den Eiffelturm mit Paris. Dazu gehören die Islandpferde – und das zu Recht: Denn ohne die zähen norwegischen und keltischen Ponys, die mit den ersten Siedlern in das unberührte Island kamen, wäre die „Landnahme“ nicht möglich gewesen.
Aus diesen ersten Ponys entstand die Rasse der heutigen Islandpferde – die unter anderem deswegen so besonders ist, weil kein Tier, das Island verlässt, jemals wieder zurückkehren darf. Und natürlich deswegen, weil sie als einzige Rasse der Welt den Tölt beherrscht, jene Gangart, bei der es keine Schwebphase gibt und sich immer ein Bein am Boden befindet.
Mekka für Pferde-Fans
Das Mekka für Fans dieser faszinierenden Tiere ist eindeutig die Region Skagafjördur am gleichnamigen Fjord, die berühmt für ihre Pferdezucht und gleichzeitig eines der blühendsten landwirtschaftlichen Gebiete ist. Hier kommen Reiter mit viel und wenig Erfahrung bei Tagesausritten oder mehrtägigen Touren ausgiebig auf ihre Kosten. Aber natürlich gibt es in ganz Island in allen Regionen Reitangebote - schließlich leben auf der Insel verteilt rund 80.000 Pferde.
Noch viele, viele Tiere mehr in Island
Es gibt noch unzählige weitere Tiere, die in Island leben, aber nicht ganz so berühmt geworden sind wie Wale, Schafe, Papageientaucher und Islandpferde. Da sind zum einen die Fische, wie der Atlantische Lachs, der in den Flüssen der Insel ideale Bedingungen für die Laichwanderung findet. Da sind geschützte Tierarten wie der Schneehase und so beliebte wie der Islandhund, dessen Vorfahren, wie die der Pferde, Kühe und Schafe, einst mit den ersten Siedlern auf die Insel kamen. Aber von diesen und vielen anderen Tieren erzählen wir in einem weiteren Beitrag.
Fotos: Thomas Linkel (14), Soffia Björnsdfóttír (1), Carina Pilz (1), vest.is (2), North Sailing (2), unsplash: Jonatan Pie (4), Julie Delpy, Tomas Trajan, inspired by iceland