„Wo der Gletscher den Himmel trifft und die Erde mit ihm eins wird, regiert allein die Schönheit“, schrieb der isländische Nobelpreisträger Halldór Laxness, und er hat definitiv recht.
Highlights im Süden
Die Gletscherseen rund um den Südrand des Vatnajökull gehören zu den meistbesuchten Highlights der Insel. Besonders beeindruckend ist die Gletscherlagune Jökulsárlón, auf der die Eisberge treiben, die von der mehrere Kilometer breiten Gletscherzunge des Breiðamerkurjökull abgebrochen sind.
Von gleißend weiß, über strahlend blau, von Vulkanasche-schwarz gemasert bis hin zu kristallklar ist das tausende Jahre alte Eis. Die hausgroßen Eisberge treiben und tauen oft mehrere Jahre, bis sie klein genug sind, um durch den kurzen Fluss vom See bis zum Atlantik zu driften. Wer etwas mehr Ruhe sucht, der sollte die Lagune Fjallsárlón westlich von Jökulsárlón besuchen oder den neu angelegten Wanderweg zwischen den Lagunen durch raue Moränenlandschaft gehen.
Zur Landnahmezeit war Island weniger vergletschert
Kaum zu glauben, aber wahr: Als die ersten SiedlerInnen mit ihren Langbooten nach Island kamen, waren die Gletscher viel kleiner als heute. Kein Wunder, dass Island auf die EntdeckerInnen wie das gelobte Land wirkte. Das änderte sich in der Kleinen Eiszeit (ca. 14501900), und um 1890 hatten fast alle Gletscher ihre größte Ausdehnung erreicht.
Zahlreiche Berichte von Reisenden und Naturforschern beschreiben die Auswirkungen der von vorstoßenden Gletscherzungen und reißenden Gletscherflüssen beschädigten oder verschluckten Bauernhöfe, Heuwiesen und Weiden.
Gletscherschmelze durch Klimawandel
Ein langsamer Rückzug der Gletscher begann in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts, seit dem Jahr 2000 ziehen sich die Gletscher zwischen dem Skaftafell-Nationalpark und der Stadt Höfn nun besonders deutlich zurück.
Die Gletscherzungen verkürzten sich zum Teil um mehrere Kilometer und hinterlassen dabei eine beeindruckende Landschaft aus den Himmel reflektierenden Lagunen, grauen Moränenwällen, sich auf Felsen und Geröll klammernden Moosen und Flechten und ehemaligen Flussbetten.
Ein Strand voller Diamanten
Wer nur einen kurzen Stopp an der Gletscherlagune eingeplant hat, sollte trotzdem die wenigen Meter zum Diamond Beach gehen, der südlich vom Gletschersee Jökulsárlón und seinen majestätischen Eisbergen liegt. An diesem kilometerlangen schwarzen Sandstrand wirft der Atlantik die soeben aus dem Gletschersee hinausgetriebenen Eisberge zurück an Land.
Wenn die Sonne von den Tausenden Eisstücken reflektiert wird, scheint der ganze Strand von glitzernden Diamanten übersät zu sein – ein atemberaubender Moment und definitiv unvergesslich.
Am See entlang bis zur Gletscherkante
Wir sind der Meinung, dass ihr euch mehr Zeit an der Lagune von Jökulsárlón nehmen solltet, denn nirgendwo sonst in Island könnt ihr unvergleichlich große Eisberge beobachten. Falls euch danach ist, dann bucht schon im Vorfeld eurer Reise eine Schlauchboot-Tour auf dem See (Zodiac-Touren gibt es übrigens auch auf der Gletscherlagune Fjallsárlón ca. 10 Kilometer östlich) oder wandert am Seeufer entlang bis zur Abbruchkante des Breiðamerkurjökull.
Vielleicht habt ihr ja ein Picknick mitgenommen, dann ist hier der beste Platz, um in grandioser Natur eine längere Pause einzulegen (nehmt bitte eure Picknicküberreste wieder mit!). Denkt an warme Bekleidung, denn die Winde vom Gletscher sind kalt und manchmal fühlt es sich an, als ob man an der offenen Tür eines Kühlhauses sitzt.
Beobachtet die treibenden Eisberge, vorbeiziehenden Raben, Küstenseeschwalben und Schwäne. Mit Glück bekommt ihr Besuch von einem Polarfuchs auf der Suche nach Mäusen oder von einer kleinen Herde Rentiere, die sich im Gebiet südlich des Gletschers Vatnajökull aufhalten.
Ein Eisberg entsteht
In regelmäßigen Abständen werdet ihr lautes Knallen hören, dann brechen große Eisblöcke aus der Gletscherzunge des Breiðamerkurjökull und stürzen in die Lagune. Aber wie hat sich der See überhaupt gebildet?
Gletscher und ihre Gletscherflüsse formen Landschaft auf verschiedene Art um. Das Eis selbst ist zu weich, um das Grundgestein zu erodieren, aber im Eis eingebettete Steine und Schotter zerschneiden das Gletscherbett und erzeugen sogenannte Gletscherschliffe. Gletscherschutt wird auf dem Gletscher, im Eis und an der Grenzfläche zwischen Fels und Eis transportiert. Der Schutt wird schließlich an den Seiten oder am Rand des Gletschers als Moränen abgelagert.
Auslaufende Gletscher, wie ihr sie südlich des Vatnajökull zwischen Skafatfell und Höfn sehen und erleben könnt, erodieren übermäßig vertiefte Mulden. Ziehen sie sich zurück, sammelt sich das Wasser in den vom Eis zurückgelassenen Vertiefungen und es bilden sich Gletscherseen.
Lagunen verstärken das Abschmelzen
Fatalerweise verstärkt so ein See durch das Aufschwimmen der Gletscherzunge im wärmeren Lagunenwasser den Schmelzprozess, was zu regelmäßigem Kalben (von der Gletscherzunge abbrechende Eisbrocken) von Eis führt, die Gletscherfront dünner macht, den Rückzug des Eises beschleunigt und die Lagune permanent vergrößert.
Der Gletschersee Jökulsárlón ist die Mündung eines 200300 m tiefen und 25 Kilometer langen Troges, den der Gletscher im Breiðamerkursandur gegraben hat. Falls ihr euch diese geologischen Prozesse nur schwer vorstellen könnt, dann ist eine leichte Wandertour zur Gletscherkante an der Ostseite der Lagune genau das Richtige, um die vom Gletscher geprägte Landschaft zu erleben und besser zu verstehen.
Für alle, die sich einen ganzen Tag in diesem Gebiet aufhalten wollen, ist eine Wanderung von Jökulsárlón zur Lagune Fjallsárlón optimal. Intensiver könnt ihr die Eiswelt von Island kaum erleben. Wer die 15 Kilometer lange Tour nur in eine Richtung gehen will, der sucht sich an der Ringstraße eine Mitfahrgelegenheit zurück zum Gletschersee Jökulsárlón.
Weiter in den Südosten bis nach Höfn
Für alle, die danach weiter Richtung Osten aufbrechen, folgt eine knapp 80 Kilometer lange Strecke auf der Nummer 1 bis nach Höfn. Auf dem Weg dorthin passiert ihr mehrere Gletscherzungen, die vom Vatnajökull ins Vorland hinunterströmen, ihr quert immer wieder Gletscherflüsse auf Brücken und habt viele Möglichkeiten, auf Stichstraßen bis zu Moränenwällen zu fahren und dann von deren Höhen auf die Eismassen zu gucken.
In Höfn dann könnt ihr übernachten, einkaufen, tanken oder einfach nur hervorragende Fish and Chips im Imbiss Hafnarbudin am Hafen speisen und zusehen, wie große Fischtrawler be- und entladen werden.
Das Ende der Südküste
Ihr habt noch etwas mehr Zeit für den Süden? Dann könntet ihr euch in die Gegend des Vestrahorn, etwa 7 Kilometer östlich von Höfn, aufmachen. Wenn ihr das Auto am Parkplatz stehen lasst, könnt ihr umsonst bis zum weiten Sandstrand wandern und den Berg Vestrahorn bewundern, wollt ihr mit dem Auto weiterfahren, dann müsst ihr dafür „Eintritt“ bezahlen, was in Island eigentlich verboten ist.
Von Jökulsárlón Richtung Westen
Diejenigen von euch, die von der Gletscherlagune auf der Ringstraße Richtung Westen aufbrechen, werden nach einigen Kilometern an der Abzweigung zum Gletschersee Fjallsárlón vorbeikommen und bei guter Sicht etwas später den höchsten Berg von Island, den genau 2.110 Meter hohen Hvannadalshnúkur, sehen können.
Kurz darauf zweigt eine Straße zum Nationalparkcenter Skafatfell ab, wo die nächsten landschaftlichen Höhepunkte im Süden von Island auf euch warten. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Spaziergang zum Wasserfall Svartifoss, der über eine Wand aus Basaltsäulen fällt?
Oder einer Wanderung zum sensationell spektakulären Aussichtspunkt Sjónarnípa? Was auch immer ihr euch vornehmt, das Gebiet von Skaftafell hat mehr als genügend Höhepunkte für zwei Reisetage zu bieten, und wenn ihr wollt, dann könnt ihr sogar zum Sonnenauf- oder Sonnenuntergang zurück zur Gletscherlagune Jökulsárlón fahren.
Fotos: Thomas Linkel (10), Carina Pilz (4)