Wenn ihr die gesamte Ostküste von Island erleben wollt, dann solltet ihr euch dafür zumindest eine Woche Zeit nehmen. Zwischen Süd- und Ostküste bewegt ihr euch viele Kilometer im Schatten von Islands größtem Gletscher, dem Vatnajökull. Eine Eismasse so groß wie Korsika, unzählige Gipfel und Gletscherzungen, weite Sanderflächen, dazwischen vereinzelte Bauernhöfe, all das erwartet euch am Übergang von der Süd- zur Ostküste.
Nationalpark mit wechselnden Landschaften
Der Vatnajökull-Nationalpark umfasst die Eruptionsspalte Eldgjá, die Laki-Krater, das gesamte Gletscherareal und große Teile des nördlichen Hochlands fast bis zum Myvatn sowie das Gebiet rund um den Wasserfall Dettifoss mit dem Jökulsárgljúfur-Canyon im Norden von Island.
Eine der Höhepunkte im Nationalpark sind die Gletscherlagunen von Fjallsárlón und Jökulsárlón. Wenn ihr Zeit habt, dann wandert doch zwischen den Lagunen auf einem 15 Kilometer langen Weg und erkundet das vom Gletscher geprägte Gebiet mit seinen Endmoränen, Wasserläufen, großen Findlingen und natürlich den treibenden Eisbergen. Auf beiden Lagunen könnt ihr übrigens auch geführte Bootstouren buchen.
Erst funkelnde Eisberge, dann Fish and Chips
Natürlich dürft ihr auch nicht die funkelnden Eisberge am Diamond Beach verpassen! Von der Gletscherlagune Jökulsárlón sind es nur wenige Meter bis zum schwarzen Sandstrand, an den der Atlantik regelmäßig tausende eisige Brocken spült.
Von dort aus geht es für euch auf der Ringstraße Richtung Höfn, links tauchen dabei immer wieder Gletscherzungen des Vatnajökull auf. Höfn ist die mit Abstand größte Siedlung im Umkreis von 200 Kilometern, hier könnt ihr übernachten, einkaufen, tanken oder einfach nur hervorragende Fish and Chips im Imbiss Hafnarbudin am Hafen probieren.
Der äußerste Südosten von Island
Vielleicht kennt ihr ja die Bilder des imposanten Berges Vestrahorn und wollt euch dort umsehen. Das Areal liegt ca. 7 Kilometer östlich von Höfn. Wenn ihr das Auto am Parkplatz stehen lasst, könnt ihr „gratis“ bis zum Sandstrand wandern und den Berg Vestrahorn bewundern. Wollt ihr mit dem Auto weiterfahren, dann müsst ihr dafür „Eintritt“ bezahlen, was hierzulande aber eigentlich unüblich ist.
Vielleicht wollt ihr deshalb lieber auf der Ringstraße etwa 45 Kilometer weiter an der Ostküste entlangfahren und an der Halbinsel Hvalnes bis zum Leuchtturm wandern, um auf den Atlantik zu gucken. Von dort bis nach Reykjavík sind es, immer an der Südküste entlang, genau 500 Kilometer auf der Ringstraße. Vom Leuchtturm die gesamte Ostküste bis nach Raufarhöfn im Nordosten sind es ungefähr 440 Kilometer.
Grandioses Wandergebiet am Wegrand
Nur ein paar Kilometer zurück auf der Ringstraße Richtung Höfn befindet sich das etwas versteckt liegende Gebiet Lónsöraefi/Lón, das sich hervorragend zum Wandern eignet. Wenn ihr dort etwas länger bleiben wollt, um die vom Gletscher und heißen Quellen geprägte Gegend zu erkunden, dann bucht euch doch hier ein Ferienhaus.
Und dann wandert im Hinterland der Lónsbucht in einer abgeschiedenen Wildnis, die sich bis zum Vatnajökull-Nationalpark erstreckt und die von kleinen Eiskappen und buntem Rhyolith-Gestein geprägt ist. Schmale Pfade führen euch durch Täler und auf Bergrücken, die an die bunten Berge von Landmannalaugar im südlichen Hochland erinnern, aber von den allermeisten Touristen links liegen gelassen werden.
Von Fjord zu Fjord
Die nächsten Kilometer führen euch danach an verschiedenen Fjorden entlang, an deren Hängen ihr mächtige Basaltschichten seht, oft in beinahe perfekter horizontaler Ausrichtung. Der Fischerort Djúpivogur, was übersetzt „tiefe Bucht“ bedeutet, liegt im Schatten des 1.069 Meter hohen pyramidenförmigen Búlandstindur am Fjord. GeologInnen schätzen das Alter des faszinierenden Berges, den ihr auch bestiegen könnt, auf ca. 8 Millionen Jahre.
„Eggin í Gledivík“ heißt eine Outdoor-Ausstellung bei Djúpivogur, die aus 34 Steineiern besteht. Sie verweist auf die im Umfeld des Fjordes nistenden 34 Vogelarten und ihr solltet sie euch unbedingt ansehen.
Cruising an der Ostküste
Die Straße führt euch weiter um den Fjord. Jedes Mal, wenn ihr eine Anhöhe oder Kurve genommen habt, öffnen sich atemberaubende Blicke hinaus aufs Meer oder auf die massiven Berghänge der Ostküste. Falls ihr Zeit habt, könnt ihr nun die Straße 96 nehmen und weiter von einem Fjord zum nächsten fahren, falls ihr es eiliger habt, folgt einfach der Ringstraße ins Inland.
Auf der 96 erreicht ihr den Reydarfjördur, den mit 30 Kilometern längsten Fjord an der Ostküste von Island, und auch von dort führt wieder eine Route weg von der Ostküste ins Inland zurück zur Ringstraße.
Bevor ihr auf der 92 in Egilsstadir ankommt, wäre ein Abstecher in den einsamen Mjóifjördur möglich. Hier findet ihr die schmale Schlucht Prestagil und den über viele Kaskaden stürzenden Wasserfall Klifbrekkufossar. Absolut sehenswert! Wer mit einem Jeep unterwegs ist, kann die immer schmaler werdende und zum Teil extrem steile Piste bis zum Leuchtturm Dalatangi fahren, allerdings müsst ihr auf demselben Weg auch wieder 45 Kilometer zurück.
Regenbogenfarben im Fjord
Vielleicht wollt ihr ja davor in Seydisfjördur vorbeischauen: Dort gibt es Lokale, die mit regionalen Produkten kochen, einige Wanderwege in die wildromantische Natur rund um die Kleinstadt Skaftfell, ein Kulturzentrum mit wechselnden Ausstellungen, Museen und natürlich die bekannte Regenbogenstraße, die direkt auf die hellblau gestrichene Seydisfjardarkirkja führt und ein beliebtes Fotomotiv ist
See und Seeungeheuer
Egilsstadir ist die größte Stadt im Osten von Island, Versorgungs- und Verwaltungszentrum der Region und liegt am 53 Quadratkilometer großen See Lagarfljót. Gespeist wird der See von den Schmelzwassern, die dem Gletscher Eyjabakkajökull auf dem Gebiet des Vatnajökull Nationalpark entspringen.
Rund um den See findet ihr in regelmäßigen Abständen Picknickplätze, vielleicht haltet ihr ja Ausschau nach dem Seeungeheuer namens Wyrm oder Lagarfljótsormur, das hier leben soll. Ähnlichkeiten mit Nessie sind nicht ausgeschlossen …
Wanderung im Wald
Empfehlenswert ist auch eine Wanderung durch den größten Wald von Island, Hallormsstadaskógur. Ein etwa 40 Kilometer umfassendes Wegnetz erschließt das 740 Hektar große Gebiet, das vor allem von Polarbirken bewachsen ist. Das seit dem Jahr 1905 geschützte Areal ist Heimat von Vögeln wie der Rotdrossel, Waldschnepfe, Bachstelze und Birkenzeisig und bietet einen fast lieblichen Charakter, der im Kontrast zu der ansonsten überwiegend baumlosen, oft rauen Landschaft Islands steht
Wasserfall und Hotpot im See
Auf der Egilsstadir gegenüberliegenden Seeseite solltet ihr eine kurze Wanderung zum vierthöchsten Wasserfall von Island, dem Hengifoss, einplanen. Falls ihr mehr Zeit habt, dann fahrt doch weiter bis zur von beeindruckenden Basaltsäulen gesäumten Schlucht Studlagil im Landesinneren.
Wollt ihr danach eure müden Muskeln im Hotpot entspannen, dann besucht das Freibad von Egilsstadir oder die Vök Baths, deren mit heißem Wasser gefüllte Pools in einem See schwimmen
In den Norden von Island
Wenn ihr die Region von Egilsstadir ausreichend erkundet habt, dann müsst ihr euch entscheiden, ob ihr über die Ringstraße und die karge Hochebene Jökuldalsheidi weiter nach Norden Richtung Wasserfall Dettifoss und zum Mývatn oder über die Straße 917 an die Ostküste fahrt.
Der Weg zurück zum Meer führt durch einsame Landschaften. Wenn ihr Glück habt, seht ihr vielleicht eine Herde Rentiere, aber nur vereinzelt trefft ihr auf Bauernhöfe, bis ihr schließlich das Fischerdorf Vopnafjördur erreicht. Spaziert doch am herrlichen Sandstrand Sandvik entlang oder besucht das Museum Bustarfell, ein 250 Jahre alter, perfekt erhaltener Grassodenhof etwas außerhalb der Siedlung.
Vulkanausbruch zwingt zum Auswandern
Lust auf Geschichte? Im Museum East Iceland Emigration Center erfahrt ihr alles über die große Auswanderungswelle, hervorgerufen durch den Ausbruch des Vulkans Askja im Jahr 1875, und die darauffolgenden lebensbedrohlichen Ernteausfälle. Wenn euch dann nach spektakulären Farben und Landschaftsformen ist, dann wandert doch im Thverá Canyon etwas außerhalb von Vopnafjördur.
Über die Straße 85 geht es dann weiter an der Ostküste entlang in den Nordosten von Island. Etwa 130 Kilometer sind es bis nach Raufarhöfn. Übrigens bewegt ihr euch nun gleichzeitig auf dem „Arctic Coast Way“, einer Route, die die gesamte Nordküste von Island entlangführt. Habt ihr aber erst mal Lust auf ein Abenteuer? Dann unternehmt doch eine Seekajak-Tour vom Dorf Thórshöfn aus und bestaunt die Küstenlandschaft und unzählige in Klippen nistende Meeresvögel vom Wasser aus.
Sonnenuhr im Nordosten
Die Ortschaft Raufarhöfn liegt fernab anderer Siedlungen und ist in den vergangenen Jahren vor allem durch den Arctic Henge (Heimskautsgerdid) bekannt geworden. Diese archaisch anmutende Konstruktion ist wie eine riesige Sonnenuhr aufgebaut, die die Sonnenstrahlen einfangen, an bestimmten Stellen Schatten werfen und das Licht zwischen den Toren ausrichten soll. Sonnenkult in Island.
Über 550 abwechslungsreiche Kilometer liegen nun hinter euch, von der Gletscherlagune Jökulsárlón im Südosten die gesamte Ostküste entlang bis an das nördliche Ende von Island.
Klickt doch einfach hier, wenn ihr Tipps über den Norden von Island haben wollt, und die Reise geht weiter.
Fotos: Thomas Linkel (11), Carina Pilz (3), Unsplash: Bastien Junod, Redcharlie, North Iceland Tourism, Inspired by Iceland