Bei einem Urlaub in Island gehört sie zum Pflichtprogramm: Die Blaue Lagune im Südwesten, die in vorpandemischen Zeiten von mehr als einer Million Besuchern pro Jahr besucht wurde – eine Sehenswürdigkeit, die inzwischen von National Geographic schon zum Weltwunder ernannt wurde und die ursprünglich ja nur rein zufällig entstanden war.
Thermalbecken im Südwesten von Island
Denn streng genommen ist das berühmte Bad lediglich ein Abfallprodukt, der Abwassersee eines Kraftwerks. Was an sich wenig einladend klingt, ist letztlich ein großartiges Geschenk der Natur. Wer sich einfach etwas Gutes tun möchte und im Island-Urlaub etwas Wellness sucht, der taucht ein in das Reich der Blauen Lagune.
Schuld am Erfolg war ein Isländer namens Valur Margeirsson. Ein junger Mann, der von einer unangenehmen Schuppenflechte geplagt war und der sehnsüchtig auf Linderung seiner Beschwerden hoffte. Nachdem einige Therapien in Island gescheitert waren, kam er im Jahr 1981 auf die Idee, ob ihm vielleicht ein Bad helfen würde. Hier in diesem riesigen Thermalbecken, das sich fünf Jahre zuvor zwischen der Hauptstadt Reykjavík und dem internationalen Flughafen erstmals mit warmem Salzwasser und reichhaltigen Mineralien gefüllt hatte.
242 Grad Celsius: Die heiße Quelle in 2000 Meter Tiefe
Damals, 1976, war nebenan das Geothermalkraftwerk Svartsengi eröffnet worden. Eine Anlage, die die Erdwärme zur Energiegewinnung nutzte und mit rund 2000 Meter tiefen Bohrungen bis zu 242 Grad Celsius heißes Wasser aus der Tiefe förderte, das dank des porösen Lavagesteins reich mit durchgesickertem Meerwasser des Nordatlantiks angereichert war. Dank der heißen Quelle gelang es einerseits, kaltes Süßwasser zu erwärmen und dies für die Beheizung der umliegenden Ortschaften zu nutzen. Anderseits nutzte man auch den heißen Dampf, um über eine Turbine Strom zu erzeugen.
Island: Kraterlandschaft als NASA-Übungsplatz
Nur das aus der Tiefe geförderte warme Wasser selbst war für das Einspeisen in Heizungen nicht wirklich zu gebrauchen. Der hohe Salzgehalt und die vielen Mineralien hätten Rohre und Leitungen massiv beschädigt. Daher leiteten die Kraftwerksbetreiber das nicht mehr für die Energiegewinnung benötigte Quellwasser nebenan in das Becken eines bizarr zerklüfteten Lavafeldes, genannt Illahraun, die Lava des Bösen.
Eine abweisende und kaum zugängliche Kraterlandschaft, die hier bei einem Vulkanausbruch in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden war und in der sogar die NASA-Astronauten der Apollo-Missionen Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre unterwegs waren, um sich auf die Bedingungen an ihrem Reiseziel, dem Mond, einzustimmen.
Linderung im Lava-Feld im Südwesten von Island
Wirklich böse und schlimm war die Lava aber nicht, ganz im Gegenteil, wie Valur Margeirsson nach Empfehlung seines Hautarztes feststellte. Als er mit Erlaubnis des Svartsengi-CEO immer wieder ein Bad nehmen durfte, spürte er allmählich die wohltuend lindernde Wirkung. Und schon bald war Margeirsson von seiner Krankheit geheilt.
1987 öffnete dann die erste Badeanstalt, damals noch eine sehr rustikale Angelegenheit. Ein kleiner Sandstrand, daneben ein paar Duschen, bald fanden die Einheimischen aus der näheren Umgebung Gefallen an einem Bad in diesem wohligen, 38 Grad warmen, milchig-blauen Wasser, das seine Färbung vor allem dem hohen Gehalt an Kieselerde verdankt. 1992 gründete sich schließlich das Unternehmen namens „Bláa Lónið“, zu Deutsch „Blaue Lagune“.
Wellness dank Kieselerde
Viele Untersuchungen und wissenschaftliche Studien belegten in den folgenden Jahren den heilenden Effekt des mit vielen Mineralien angereicherten geothermalen Wassers. So eröffnete hier 1995 eine Klinik zur Behandlung chronischer Hautkrankheiten und weiterer dermatologischer Beschwerden. Weil das Kraftwerk 1999 erweitert wurde, musste die erste Blaue Lagune weichen. Die Umleitung des Thermalwassers aus der heißen Quelle in ein anderes Lavabecken weiter westlich wurde genutzt, um am neuen Standort ein modernes Bad entstehen zu lassen, das im Lauf der Jahre und Jahrzehnte immer mehr zu einer imposanten Erlebnis-Location erweitert wurde: mit Wellness-Bereichen, mit Lava-Grotten und Lava-Inseln, mit Gastronomie, Hotels und einem Konferenzzentrum.
Die Luxus-Lagune in Islands erstem Fünf-Sterne-Hotel
2016 wurde schließlich auch die Blaue Lagune selbst vergrößert, die Fläche des Beckens wuchs von 5000 auf 8700 Quadratmeter an. Für Aufsehen sorgte dann 2018 die Eröffnung des architektonisch spektakulären Retreat at Blue Lagoon Island, das erste Fünf-Sterne-Hotel der Insel, das bereits ein Jahr später mit dem begehrten Design-Preis Red Dot Award ausgezeichnet wurde. Der drei Meter unter der Erde gelegene Wellness-Bereich, das Retreat Spa, führt dabei direkt in die Retreat Lagune, die mit demselben Wasser wie der große öffentliche Naturpool nebenan gespeist wird. Die Blaue Luxus-Lagune, exklusiv und in High End.
Suiten für über 1.000 Euro
Natürlich hat die Unterkunft auch ihren Preis: Für eine 60 Quadratmeter große Suite mit Ausblick auf Wasser und die mit Moos bedeckte Lava-Landschaft zahlt man rund 1700 Euro die Nacht. Das ist selbst im eher hochpreisigen Island ungewöhnlich teuer.
Entsprechend gehoben ist auch das Ambiente im benachbarten Moss Restaurant, das nach der Empfehlung im Michelin Guide 2020 gerade auf dem besten Weg ist, sich mit den Küchenchefs Agnar Sverrisson und Ingi Pórarinn Friðriksson als eines der angesagtesten kulinarischen Hot Spots ganz Skandinaviens zu etablieren.
Wellness-Spektakel: Heiße Quelle unterm Nordlicht
Zu empfehlen ist ein Besuch gerade in den kalten Wintermonaten. Ein Bad im wohlig warmen Wasser unter eisiger Luft ist ein ganz besonderes Erlebnis, am besten dann noch spätabends bei klarem Himmel mit Blick auf die Nordlichter.
Doch es gibt auch rings um die Blaue Lagune herum zahlreiche Orte, die sich UrlauberInnen auf ihrem Island-Trip nicht entgehen lassen sollten. Das Geothermalgebiet Seltún etwa, das mit seinen heißen Quellen und blubbernden Schlammtöpfen selbst nicht zum Baden einlädt, aber zum Spazierengehen entlang eines befestigten Stegs. Eine der heißesten Stellen in ganz Südwest-Island findet sich am Vulkan Gunnuhver, hier betragen die Temperaturen in den Quellen mehr als 300 Grad. Und besonders spektakulär ist im Moment der Ausbruch des nur wenige Kilometer entfernten Vulkans Fagradalsfjall.
Ein historisches und recht einsam in der Landschaft stehendes Bauwerk liegt auf der Halbinsel Reykjanesskagi: der Leuchtturm von Reykjanes, der mit seiner Bauhöhe von 31 Metern seit 1908 in Betrieb ist und alle 30 Sekunden ein zweimaliges Blinklicht von Island hinaus auf den Nordatlantik sendet.
Die Brücke zwischen den Kontinenten: Auf einen kurzen Sprung nach Amerika
Ein ganz besonderes Vergnügen ist der kurze Weg von einem Erdteil auf den nächsten. Rund 20 Fahrminuten von der Blauen Lagune entfernt liegt die Bridge Between Continents, eine gerade einmal 15 Meter lange Fußgängerbrücke, die den Graben zwischen den beiden hier verlaufenden Rändern der Eurasischen und der Nordamerikanischen Tektonikplatten überwindet. Auf welcher Seite man sich gerade befindet, verraten die beiden Schilder an den jeweiligen Enden: „Welcome to Europe“ und „Welcome to America“.
Zur Erforschung und Erkundung der Natur rund um die Blaue Lagune eignen sich auch viele Spazier- und Wanderwege. Der History Walk etwa, ein kleiner Rundgang, der in die unmittelbare Umgebung des Bads durch ein rund 2000 Jahre altes Lavafeld führt und am Silica Hotel, neben dem Retreat das zweite Hotel der Anlage, wieder endet.
Wanderungen & Wikinger
In drei Routen mit unterschiedlichen Längen zwischen 7 und 12,5 Kilometern führen Wanderwege auf den erloschenen Vulkan Thorbjörn, von dessen Gipfel sich ein faszinierender Blick über den Südwesten Islands wie auch auf die Anlage der Blauen Lagune ausbreitet. Inmitten dieser kargen Landschaft mutet die Wellness-Oase mit ihren modernen Bauten und dem Kraftwerk nebenan so surreal an wie eine Raumstation auf einem fernen Planeten.
In das Leben vergangener Jahrtausende entführt das Viking World Museum in Reykjanesbaer, mit vielen historischen Exponaten wie dem Schiff Íslendingur, das anlässlich der 1000-Jahr-Feier von Leif Erikssons Amerika-Reise über den Atlantik nach Neufundland und New York segelte. Etwas moderner und zeitgenössischer geht es im nicht weit entfernten Museum of Rock’n’Roll zu, in dem sich die isländische Musikgeschichte seit dem 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart mit ordentlich auf die Ohren gebührend feiern lässt.
Es gibt also viele Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung im Südwesten von Island, wo man den Tag am besten wieder im Feld der lllahraun ausklingen lässt. Bei Wellness für Körper, Geist und Seele, bei einem Bad in der einzigartigen Schönheit der Blauen Lagune.
Bilder: Auglsing Hvtahsi/Unsplash, Chris Lawton/Unsplash, Stephen Leonardi/Unsplash, Patrick Hendry/Unsplash, Arshil Gudka/Unsplash, Benjamin Rascoe/Unsplash, Blue Lagoon, Reykjanes Tourism