Die wenigsten Reisenden fahren direkt zum Gullfoss, die allermeisten besuchen ihn auf ihrer Golden Circle-Tour, denn der Wasserfall liegt vom Geysir Strokkur nur wenige Minuten entfernt, und auch der Nationalpark Thingvellir mit seinen tiefen, wassergefüllten Erdspalten ist nur 70 Kilometer westlich zu finden.
Wasser vom Gletscher
Solltet ihr allerdings vom Norden von Island über die Hochlandroute Kjölur kommen, dann stoßt ihr direkt auf den Gullfoss. Vielleicht habt ihr ja im Hochland am See Hvítárvatn einen Halt gemacht und seid am Ufer entlangspaziert.
Der See wird vom milchig-weißen Schmelzwasser des Gletschers Langjökull gespeist, die Hvítá, was übersetzt „weißer Fluss“ bedeutet, entspringt hier und fließt dann über 40 Kilometer durch vegetationsarmes Gebiet bis zum Gullfoss.
Zwei Fallstufen bis zum Canyon
In zwei Stufen über harte Basaltlagen stürzt das Wasser insgesamt 32 Meter tief in den Canyon Hvítárgljúfur und strömt in dieser 2,5 Kilometer langen und 70 Meter tiefen Schlucht brodelnd und tosend Richtung Meer. Im Durchschnitt stürzen etwa 109 Kubikmeter Wasser pro Sekunde über verschiedene Kaskaden herunter.
Im Frühjahr zur Schneeschmelze können bis zu 200 Kubikmeter erreicht werden, dann verschwinden die charakteristischen Basaltblöcke vor der zweiten Fallstufe vollständig unter Wasser.
Beeindruckende Aussicht
Oberhalb des Gullfoss könnt ihr vom Parkplatz am Besucherzentrum über einen Holzbohlenweg zu einer Aussichtsplattform spazieren und habt einen grandiosen Überblick auf die Hvítá, wie sie breit und schnell in ihrem Flussbett bis zur ersten Fallstufe strömt.
Ihr solltet aber auch die Treppen zum Wasserfall hinuntersteigen und auf einem Pfad direkt zu den Fallstufen gehen. Hier ist der Lärm ohrenbetäubend, ihr spürt die unbändige Naturgewalt hautnah. Bei stärkerem Wind werdet ihr mit Wasser vom Gletscher geduscht, also denkt an die Regenklamotten. Der Wind aus Norden sorgt bei Sonnenschein auch dafür, dass sich oft über mehrere Stunden ein Regenbogen über dem Gullfoss bildet, deshalb auch der Name „Goldener Wasserfall“.
Tipp für ExpertInnen
Für diejenigen unter euch, die mehr Zeit mitbringen, sei nicht nur die westliche Seite des Gullfoss empfohlen, sondern auch die östliche. Dazu müsst ihr die Piste 349 bis zu den Schildern Gullfoss fahren und schließlich noch etwa 2 Kilometer durch unbesiedeltes Land wandern.
Dann steht ihr vermutlich ziemlich allein auf der östlichen Seite der Hvítá und habt einen großartigen Blick auf das tosende Wasser und die bunten Punkte Touristen auf der anderen Seite. Bei gutem Wetter könnt ihr von einer erhöhten Stelle in der Ferne sogar den Gletscher Langjökull sehen.
Mutige Frau rettet Wasserfall
Die Tatsache, dass es den Gullfoss überhaupt noch gibt, ist einer mutigen Frau zu verdanken. Unterhalb des Besucherzentrums befindet sich ein Gedenkstein für Sigridur Tómasdóttir vom Bauernhof Brattholt.
Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte der Wasserfall teilweise zum Gebiet dieses Bauernhofs, und die isländische Regierung wollte den Wasserfall zur Stromerzeugung pachten. Sigridurs Vater unterzeichnete im Jahr 1907 den Pachtvertrag, aber bereute dies sehr schnell. Seine Tochter Sigridur und er verweigerten daraufhin die Annahme der Pachtzahlungen, bis der der Fall vor Gericht kam.
Island lenkt ein
Die beiden verloren den Prozess, aber Sigridur drohte, sich beim ersten Spatenstich zum Kraftwerk in die Fluten des Gullfoss zu stürzen.
Ihre Standhaftigkeit sorgte über Jahrzehnte dafür, dass trotz des gültigen Vertrags niemals ein Wasserkraftwerk gebaut und der Wasserfall und die nähere Umgebung vom Staat Island im Jahr 1979 unter Naturschutz gestellt wurde.
Flúdir als Basis für die Region
Wenn ihr dem Fluss Hvítá weiter Richtung Süden folgt, dann erreicht ihr den Ort Flúdir. Nicht weit von dort könntet ihr ein Ferienhaus als Basislager für die Entdeckung von Gullfoss und Golden Circle mieten. Die Umgebung von Flúdir ist sehr fruchtbar, außerdem nutzt der Ort, wie so viele andere in Island, heiße Quellen, um verschiedene Gewächshäuser zu beheizen. Mitten durch das Dorf fließt die Litla-Laxá, am südwestlichen Dorfrand führt ein einfacher Wanderweg auf den Berg Miðfell.
Auf dem Bergrücken liegt ein See, an dem es sich gut picknicken lässt, und vom Gipfel aus habt ihr einen fantastischen Blick auf die Gegend. Nach der Wanderung könnt ihr in den warmen Fluten der Secret Lagoon entspannen, bevor ihr euch auf weitere Erkundung der Umgebung macht.
Tomatensuppe im Gewächshaus
Vielleicht quert ihr ja die Hvítá ein weiteres Mal und besucht die heißen Quellen und Gewächshäuser des Dorfes Reykholt. Dort solltet ihr euch frisches Gemüse in der Tomatenfarm Fridheimar kaufen und mit einer Tomatensuppe im Hofrestaurant stärken, das inmitten eines der Gewächshäuser liegt.
Von Reykholt aus könnt ihr über den See Laugarvatn bis zum Nationalpark Thingvellir fahren. Falls ihr Lust auf Wechselbäder habt, dann besucht das Fontana-Spa im Dorf Laugarvatn. Dort gibt es Hotpots mit bis zu 42 Grad Celsius heißem Wasser und einen Steg, von dem aus ihr direkt in das kühle Nass des Laugarvatn tauchen könnt. Kühl und nicht kalt, weil der flache See von unterirdischen heißen Quellen gespeist wird …
Typisch Island: Brot aus dem Erdofen
Im Restaurant des Schwimmbads habt ihr die Möglichkeit, geräucherte Seeforelle mit Roggenbrot zu probieren, das nach jahrhundertealter Tradition in der geothermischen Hitze eines Erdlochs gebacken wird.
Gletscher, Geysir und …
Und anschließend? Wenn ihr euch Richtung Westen aufmacht, dann erreicht ihr nach etwa 30 Minuten Fahrtzeit den Nationalpark Thingvellir.
Nehmt ihr die Landstraße Richtung Osten, kommt ihr nach 20 Kilometern direkt am Geysir Strokkur vorbei, seht etwas später bei gutem Wetter die eisigen Spitzen des Gletscher Langjökull und erreicht kurz danach den Gullfoss.
Bilder: Thomas Linkel (10), unsplash/Cosmic Timetraveler