Ihr habt Zeit und Lust auf eine halbtägige Wandertour nicht allzu weit von Reykjavík entfernt? Dann bietet sich zwischen Juni und September die Tour zum Wasserfall Glymur an. Um dorthin zu gelangen, verlasst ihr die Stadt Richtung Norden auf der Ringstraße. Nicht weit hinter der Stadtgrenze zweigt die Straße 36 ins Mosfellsdalur ab, über die ihr zum Nationalpark Thingvellir gelangen würdet.
Vor der Wanderung noch einen Nationalpark besuchen?
Thingvellir ist nicht nur historisch interessant, weil sich dort im Jahr 930 nach Christus zum ersten Mal über dreißig regierende Häuptlinge trafen, um über das Recht in Island zu diskutieren.
Dabei gab es keinen, der das gesamte Parlament beherrschte: Der Gesetzessprecher hatte nur zeremonielle Befugnisse – die Entscheidungen wurden kollektiv getroffen. Et voilá, das erste demokratische Parlament war geschaffen.
Startpunkt des Golden Circle
Thingvellir ist aber nicht nur wegen seiner Historie UNESCO Weltkulturerbe, sondern auch, weil sich in diesem Nationalpark gewaltige Erdspalten auftun, die von der Kontinentalplattendrift geschaffen sind.
Wenn ihr also zuerst einen Besuch in Thingvellir plant, bevor ihr zum Glymur wandern wollt, dann biegt jetzt rechts auf die Straße 36 ab. Und bevor ich es vergessen: Thingvellir ist auch noch Teil des weltberühmten Golden Circle, mehr dazu könnt ihr in unserem Blogbeitrag lesen.
Am Fjordufer entlang
Seid ihr aber nur für den Glymur unterwegs, dann folgt der Ringstraße so lange nach Norden, bis ihr am Ufer des Hvalfjördur ankommt.
Benutzt nicht den Tunnel, sondern biegt vorher auf die Straße 47 ab und genießt die Fahrt entlang des Fjords. Der Hvalfjördur ist der längste Fjord im Südwesten von Island und einer der landschaftlich schönsten des Landes überhaupt.
Einige glauben, der Fjord trage seinen Namen aufgrund der Walfangstation am nordöstlichen Ende, tatsächlich bezieht sich der Name aber auf eine Geschichte über einen bösen Wal, der so lange sein Unwesen im Fjord trieb, bis er von Bischof Gudmundur in den See Hvalvatn verbannt wurde.
Der See, der Wal und der Wasserfall
Wie es der Zufall nun mal will, entspringt der Fluss Botnsá genau in diesem See, immerhin der dritttiefste von Island. Und der Fluss ist wirklich wichtig, denn er fällt nach einigen Kilometern über den Glymur 198 Meter tief, um später in den Fjord zu münden.
Genau dort, wo das passiert, verlasst ihr die Straße 47, biegt auf eine Piste ab und folgt dem Schild „Glymur“ bis zum Parkplatz.
Ihr habt nun zwei Möglichkeiten, zum Wasserfall zu wandern: entweder auf einer Rundtour oder hin und zurück jeweils auf der östlichen Seite. Wie auch immer ihr entscheidet, ihr solltet euch auf 3,5-4 Stunden einstellen, um die ca. sieben Kilometer lange Strecke und die 425 Höhenmeter zu bewältigen.
Hinein ins Tal der Botnsá
Charmanter ist in jedem Fall die Rundtour, für die ihr unbedingt ein gutes Picknick in den Rucksack packen solltet. Und dann: Los geht´s!
Vom Parkplatz aus geht ihr zunächst recht unspektakulär auf ebener Strecke durch ein Areal mit niedrigen Büschen, einigen Polarbirken und Blaubeerpflanzen.
Nach etwa 25 Minuten erreicht ihr die Höhle Thvottahellir, in die ihr hineinsteigt, sie durchquert, um hinter dem Höhlenausgang für kurze Zeit an einem Felshang entlangzugehen. Der Blick von der Höhlenöffnung in das Tal der Botnsá ist übrigens mindestens ein Foto wert.
Flussüberquerung auf Baumstämmen
Nun seid ihr mitten im Botnsdalur und steigt hinunter zum Fluss. Je nach Wasserstand und persönlicher Präferenz könnt ihr entscheiden, ob ihr das kalte Wasser durchwaten wollt oder über die Baumstämme balanciert, die extra für Wanderer in den Fluss gelegt sind. Zusätzlich ermöglicht ein gespanntes Stahlseil weiteren Halt.
Ab hier beginnt der zumeist steile Aufstieg an der östlichen Talseite. Falls der Weg feucht ist, kann das eine rutschige Angelegenheit sein, bei Regen macht der Aufstieg eher wenig Spaß.
Sollte das Wetter aber gut sein, dann habt ihr immer wieder fantastische Ausblicke auf das Tal und die zwischen Felsbrocken rauschende Botnsá. Je höher ihr kommt, desto besser ist übrigens auch der Blick Richtung Hvalfjördur.
Für Schwindelfreie
Falls ihr nicht ganz schwindelfrei seid oder Höhenangst habt, dann stellt euch jetzt besser auf ein paar knifflige Wegabschnitte ein. Der Pfad ist zum Teil sehr schmal und verläuft nun an Klippen entlang, auf deren anderer Seite er wieder hinunterführt.
Entschädigt werdet ihr aber von den ersten Blicken auf den Wasserfall Glymur, der nun über euch auftaucht. Je weiter ihr nach oben steigt, desto beeindruckender werden die Aussichten über das Tal und den Wasserfall.
Immer wieder gibt es Plateaus, von denen ihr auch einen atemberaubenden Blick in die Schlucht habt, die die Botnsá über Jahrhunderte geschaffen hat.
Am höchsten Punkt mit tollem Glymur-Blick
Wenn ihr dann den höchsten Punkt der Wanderung erreicht habt und von oben auf Fluss und Glymur gucken könnt, dann müsst ihr entscheiden, ob ihr über denselben Weg zurück zum Parkplatz geht oder die Rundtour eure Wahl ist.
Im Falle der Rundtour geht ihr am Ufer der Botnsá entlang und durchwatet schließlich an einer breiten, aber flachen Stelle den Fluss (Tipp: Nehmt ein zweites Paar Schuhe oder Trekkingsandalen für die Flussquerung mit und vergesst auch Wanderstöcke nicht!). Ihr könntet übrigens auf der östlichen Seite auch weiter das Botnsdalur bis zum Hvalvatn hinaufwandern.
Abstieg mit erhebendem Ausblick
Wie wäre es nach der Flussdurchquerung mit einem Picknick, bevor ihr wieder zurückfahrt? Den schwierigsten und frischesten Teil der Wanderung habt ihr jedenfalls hinter euch, von nun an geht es über einen guten Pfad immer bergab, bis ihr den Parkplatz erreicht.
Den ganzen Weg erstreckt sich vor euch das wildromantische Botnsdalur, der majestätisch in der Sonne funkelnde Hvalfjördur und schließlich am Horizont der Nordatlantik. Ein Ausblick, den ihr sicherlich lange in Erinnerung behalten werdet. Und der ganz typisch für Island ist.
Fotos: Thomas Linkel