Island ist ein Land der Wasserfälle. Auf einer Rundreise vergeht kaum eine Stunde, in der man nicht Bäche über kleine Steinstufen fallen und größere Flüsse in gewaltigen Kaskaden in die Tiefe stürzen sieht. Die Region der Westfjorde ist da keine Ausnahme. Auf einer Reise in den Nordwesten von Island begegnet man unzähligen, aber der wohl spektakulärste Wasserfall ist der Dynjandifoss, der auch Fjallfoss genannt wird.
Wie kommt ihr zum Dynjandifoss?
Von Reykjavík aus, der Hauptstadt von Island, sind es 460 Kilometer, etwa 5 Stunden Autofahrt, bis zum Dynjandifoss. Zunächst müsst ihr die Ringstraße nach Norden nehmen, den Tunnel am Hvalfjördur passieren und nach ca. 100 Kilometern auf die Straße 60, die auch Vestfjardarvegur genannt wird, Richtung Westfjorde abbiegen.
Anschließend schlängelt sich die Straße südlich des Plateaus Gláma am Breidafjördur entlang und führt schließlich über Serpentinen und den 468 Meter hohen Pass Helluskard zur Hochebene Dynjandisheidi. Innerhalb von acht Kilometern steigt die Straße steil bergauf. Gerade noch seid ihr an der Küste des Breidafjördur mit seinen Bauernhöfen, Schafen und friedlich grasenden Kühen gecruist, aber oben angekommen fühlt es sich wie eine andere Welt an.
Westfjorde: Von Gletschern geschaffene Landschaft
Die euch nun umgebende Landschaft ist rau und einsam. Flechtenbedeckte Findlinge, unzählige Seen und Tümpel werden von Bächen gespeist und liegen in einer oft von Wind gepeitschten, weiten Moränenlandschaft.
Die Hochebene ist unbesiedelt und große Teile des Jahres wegen Schnee kaum zugänglich. Bis vor 20.000 Jahren bedeckten Gletscher das Areal und schufen nicht nur das Plateau, sondern auch beeindruckende Fjorde wie Arnarjördur, Patreksfjördur und Reykjarfjördur, die ihr von der Hochebene aus weit unter euch liegen seht.
Über Serpentinen zum Wasserfall Dynjandifoss
Ihr fahrt weiter nach Norden und erreicht schließlich die markanten Gipfel Hornataer, in deren Nähe die Straße 63 nach Talknafjördur und Patreksfjördur abzweigt, und in die südwestlichsten Gebiete der Westfjorde führt. Ihr bleibt allerdings auf der Route 60, habt den majestätischen Arnarfjördur immer westlich von euch und fahrt 11 Kilometer über zum Teil abenteuerliche Serpentinen bergab bis zur Abzweigung der 621, die dann schon wieder auf Meereshöhe zum Dynjandifoss führt.
Warum Island Island heißt
Übrigens soll der norwegische Wikinger Flóki Vilgerðarson, bekannt als Hrafna-Flóki, zu deutsch Raben-Flóki, laut Überlieferung im Frühling 866 nicht weit von hier nach einem harten, isländischen Winter auf einen Hügel gestiegen sein.
Oben angekommen, blickte er auf einen von Treibeis bedeckten Fjord und nannte das Land Ísland, Eisland. Flóki kehrte ein Jahr später zurück nach Norwegen und sorgte mit seinen Geschichten für schlechte Island-Promotion. Allerdings berichteten andere Wikinger deutlich positiver über die Insel am Polarkreis, sodass weitere Wikinger nach Norden aufbrachen. Übrigens kehrte auch Flóki zurück nach Island und soll dort bis zu seinem Tod gelebt haben.
Schon von Weitem zu sehen: Der Wasserfall Dynjandifoss
Bereits einige Kilometer und Kurven, bevor ihr nun den Dynjandifoss erreicht, könnt ihr den 100 Meter hohen Wasserfall von der Straße aus sehen.
Stellt euer Auto auf dem Parkplatz ab, nehmt etwas zum Picknicken mit und wandert dann etwa 15 Minuten bergauf. Auf dem Weg werdet ihr nicht nur den großen Dynjandifoss immer als Hintergrund haben, sondern an fünf weiteren, kleineren Fällen vorbeikommen, die über Gesteinsterrassen rauschen.
Typisch Island: Wasserkaskaden über Wasserkaskaden
Der Dynjandifoss selbst ist 100 Meter hoch und damit der höchste Wasserfall der Westfjorde. An vielen Stellen des Weges habt ihr fantastische Blicke auf die weiß-schäumenden Wassermassen, die in Kaskaden über Basaltgestein strömen.
Wasserfall unter Naturschutz
Bleibt bitte auf dem Weg und passt auf die fragile Natur auf, seit über 40 Jahren sind etwa 700 Hektar rund um den Wasserfall als Naturschutzgebiet ausgewiesen.
Wenn ihr den höchsten Punkt des Pfades erreicht habt, dann sucht euch Platz für ein Picknick. Nun könnt ihr auf der einen Seite das Fallen und Strömen des Dynjandi bewundern. Wenn ihr euch umdreht, blickt ihr hinaus auf den Arnarfjördur. Als Hintergrundgeräusch habt ihr aber immer das Getöse des Wasserfalls.
Übrigens stammt genau das Wasser, das gerade über den Dynjandifoss rauscht, aus dem Fluss Dynjandi, gespeist von mehreren Seen auf der Hochebene Dynjandisheidi, die ihr auf eurer Anreise überquert habt.
Was gibt es sonst noch nahe dem Dynjandifoss zu entdecken?
Wenn ihr den Wasserfall ausführlich genossen habt, solltet ihr die Westfjorde unbedingt näher kennenlernen. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Besuch der Stadt Ísafjördur, dem Verwaltungszentrum der isländischen Westfjorde?
Städtisches Flair und Outdoor-Aktivitäten
In der Nähe könntet ihr ein Ferienhaus beziehen und von dort die Stadt entdecken. Wollt ihr vielleicht das Heimatmuseum der Westfjorde besuchen oder einen Kaffee im Edinborg Bistro trinken?
Wenn ihr Lust auf Bier habt, dann solltet ihr bei der Micro-Brauerei Dokkan Brugghús vorbeschauen. Und spaziert unbedingt über den Hauptplatz und erkundet die Gassen zum Hafen, bucht einen Seekajak-Trip oder eine Whale-Watching-Tour.
Von Ísafjördur aus erreicht ihr ganz leicht Bolungarvík, den nördlichsten Ort der Westfjorde. Besonders sehenswert ist dort die perfekt renovierte ehemalige Fischereistation Ósvör.
Abenteuer auf Hornstrandir
Von Bolungarvík aus fahren Boote auf die unbewohnte Halbinsel Hornstrandir. Es gibt geführte Touren in dieses sich selbst überlassene Stück Island.
Wenn ihr wanderaffin seid, könnt ihr auf schmalen Pfaden aber auch alleine über Berg, Bach und Tal streunen, Übernachten im Zelt oder einer der Schutzhütten inklusive. Auf Hornstrandir findet ihr neben einer reichen Vogelwelt auch Polarfüchse, sensationelle Fjordblicke, Wiesen mit sich im Wind wiegendem Wollgras und immer wieder Wasserfälle.
Látrabjarg beeindruckt
Wenn ihr euch vom Dynjandifoss aus südlich bewegt, dann müsst ihr unbedingt die Klippen von Látrabjarg besuchen. Diese über 440 Meter hohe und etwa 14 Kilometer lange Felswand ist die Heimat von zehntausenden Papageientauchern, Dreizehenmöwen, Eissturmvögeln und der weltgrößten Tordalkenkolonie.
Aber auch wenn ihr ornithologisch weniger interessiert seid, der Blick von den Klippen auf das über 400 Metern unter euch liegende Meer ist atemberaubend. Egal, ob bei Sonnenuntergang oder im Tosen eines Sturmes.
Westfjorde mit Ahhhh!-Effekt
Der Dynjandifoss ist mit seinen gischtenden Kaskaden einer der schönsten Wasserfälle Islands und unbedingt einen Besuch wert. Wer sich einmal auf dem Weg zu ihm gemacht hat, sollte aber auch die übrigen Gegenden der Westfjorden entdecken, eine dünn besiedelte Region mit beeindruckenden Landschaften.
Fotos: Thomas Linkel (4), Visit Westfjords/Björgvin Hilmarsson (3), flickr/Barry Marsh (2), David Lee, unsplash/Ruedi Haberli, Antonio Campoy