Den Papageitauchern auf der Spur
Sie sind die niedlichsten, ulkigsten und fotogensten Bewohner von Island, die Papageientaucher. Islands Wappenvogel tummelt sich in Tausendschaften an den Küsten. Lasst euch eine Begegnung mit den putzigen Kerlchen nicht entgehen, sie ist ein watschelndes Highlight.
Der kleine Kerl watschelt, bleibt stehen, watschelt weiter und schaut etwas verdutzt. Vor ihm wartet unsere Gruppe aufgeregter Island -Touristen mit knipsbereiten Kameras. Hinter ihm wuselt es nur so von ebenfalls watschelnden Gefährten. Zum Klicken unserer Linsen schwellt der Vogel kurz seine blütenweiße Brust, wirft den leuchtenden Schnabel in Pose für die Fotos – und watschelt zurück zu den gefiederten Kumpanen.
Wir sind begeistert, verzaubert und höchst amüsiert über die Solo-Show des Papageientauchers, der sich knapp zwei Meter ran getraut hat an seine Bewunderer, also uns.
Islands niedlichen Wappenvogel mitten in der Natur zu erleben, ist eine Attraktion, die uns der spektakulären Szenerie der Insel hier an der Südküste unweit des Örtchens Vik noch etwas näher bringt. Mit einer Körperlänge von gut 30 Zentimeter sind die Puffins, so der englische Begriff für Papageientaucher, ungefähr so groß wie Tauben. „Mich erinnern sie eher an eine Mischung aus Papagei und Pinguin“, sagt jemand hinter mir. Einstimmiges Nicken.
Papageientaucher, niedlich statt elegant
Elegant? Eher nicht! Der leicht tolpatschiger Gang auf dünnen, orangefarbenen Beinen wirkt eher etwas beschwippst, als hätten wir die Papageientaucher nach einer wilden Party beim Morgen-Hangover ertappt.
Anmutig sind dafür aber ihre weißen Bäuche unterm tiefschwarzem Rückengefieder und natürlich der grellbunte Schnabel, der von orangefarbenen, gelben und roten Streifen durchzogen ist. Knuffiger geht es kaum, vor allem in tausendfacher Ausführung, wie hier am Strand bei den Klippen von Kap Dyrhólaey.
16 mal mehr Papageientaucher als IsländerInnen
Von unserem Guide Einar lernen wir, dass Island über sechs Millionen Exemplare der Vögel und damit 60 Prozent der weltweiten Papageientaucherpopulation beherbergt. „In den Sommermonaten leben in Island mehr als 16 Mal so viele Papageientaucher wie Menschen“, fügt Einar mit einem Ausrufezeichen in der Stimme hinzu.
Doch trotz der schier unendlich wirkenden Menge der Vögel um uns herum: Seit 2015 zählen Papageientaucher zu den gefährdeten Arten. „Deshalb“, und nun hebt Einar den Zeigefinger zur Unterstreichung des Ausrufezeichens, „haltet bitte Abstand, gebt den Puffins nichts zu Essen und klettert für Fotos nicht auf den Klippen herum!“
Treue Gefährten
Das mit dem Abstandhalten ist stellenweise gar nicht so einfach: Papageientaucher scheinen chronisch neugierig und so torkelt und ein Puffin-Team auf dem Weg zum Auto beflissen hinterher – bis sie von ein paar grünen Grashalmen abgelenkt werden und die Ausbeute stolz zur Kolonie zurücktragen.
Der Nestbau ist dann doch wichtiger als die ulkigen Touristen. Immerhin haben die Vögel einen triftigen Grund für ihre jährliche Überbevölkerung der isländischen Strände und Klippen: das Nisten.
Tierische Kommune
Eigentlich leben die Tiere dicht an der Meeresoberfläche und kommen Ende April bis Anfang September nur zum Brüten und dem Aufziehen der Küken an Land, u.a. eben nach Island. Dabei sind sie nicht nur ihrem Partner und ihren gefiederten Freunden treu, sondern auch ihrer Heimat. Die Vögel nisten meist dort, wo sie selbst geboren wurden und das auch nur, wenn andere Papageientaucher in der Nähe sind. „Quasi eine große Kommune, aber ohne Hippie-Flair“, lacht Einar.
Paaren, Nisten, Kind aufziehen – repeat
Denn die Monogamisten ziehen ihre Küken ganz brav und harmonisch als Paar auf und haben klare soziale Strukturen innerhalb der Kolonie.
Nach einer Paarungs-Zeremonie, bei der sie ihre Schnäbel aneinander reiben, legt jedes Paar nur ein einziges Ei. Aus dem schlüpft ein Nesthocker, der sich von den Eltern mehrere Monate umsorgen lässt und dann zum ersten Mal in Richtung Meer fliegt – und dort bleibt.
Gemeinsam werden die Zelte abgebrochen
Für die Eltern bedeutet das: Aufgabe erledigt. Zeit, sich ebenfalls wieder von Island gen Wasser aufzumachen, um nach Fischen zu jagen. Der Abflug geschieht in einer penibel choreografierten Puffin-Gruppen-Abflug-Zeremonie: Innerhalb weniger Tage sind die Strände von Island leer, als wären die Vogel-Herden nur ein Traum gewesen.
Sommerzeit ist Puffin-Zeit
Deshalb: Wenn ihr die Puffins in Island selbst erleben wollt, müsst ihr gut planen.
Kommt also am besten im Spätfrühling und Sommer nach Island, dann könnt ihr die Vögel-Kolonien mit großer Sicherheit sehen, am besten in den frühen Morgenstunden und am Nachmittag. Dabei ist es egal, ob ihr mit dem Auto oder per Boot unterwegs seid: Überall im Land werden zahlreiche Touren angeboten. Auch wenn ihr auf eigene Faust auf Puffin-Suche geht, werdet ihr kaum Probleme haben, die niedlichen Gesellen im Pulk zu sehen. Die Faustregel: Gen Wasser fahren.
Ihr habt in Island nur ein paar Tage Zeit? Dann startet am besten von Reykjavik aus und peilt eine Tour nach Akurey und Lunday an. Die beiden kleinen unbewohnten Inseln in der Faxafloi-Bucht könnt ihr per kurzer Bootsfahrt vom Stadtzentrum aus erreichen – Lundey hat sich als Insel der Papageientaucher einen Namen gemacht.
Südküste: Puffin-Wunderland
Auch die Klippen bei Kap Dyrhólaey im Süden von Island könnt ihr von Reykjavík aus einfach erreichen – dort wartet ein regelrechtes Puffin-Wunderland auf euch.
Den Vogelfelsen bei Ingólfshöfði – einer kleinen isolierten Insel zwischen dem schwarzen Sand an der Südküste und dem Nordatlantik – könnt ihr wiederum bei Ebbe nur mit geführten Touren erreichen. Die werden von verschiedenen Anbietern durchgeführt. Der Trip lohnt sich: Unzählige orange Beine watscheln hier über die Felsen.
Die Vulkanlandschaft der Vestmannaeyjar (Westmännerinseln) liefert gleich noch einen berauschend schönen Hintergrund für eure Puffin-Fotos. Vom Festland legt die Fähre in Landeyjahöfn ab, die Überfahrt dauert etwas mehr als 30 Minuten.
Stórhöfði auf Heimaey gilt als eine der größten Puffin-Kolonien Europas: Jährlich nisten hier über 700.000 der Tiere. Ihr seid Hardcore-Vogel-Fans? Dann unbedingt einen Stopp am Papageientaucher-Ausguck Stórhöfði einlegen. Hier habt ihr einen direkten Blick auf die Brutstätten, ohne den Tieren zu nahezukommen.
Westen: Insel-Kolonien
Islands Wappenvogel liebt – genauso wie ihr sicherlich auch – die spektakuläre Szenerie der Westfjorde. Die bis zu 450 Meter hohen Klippen von Látrabjarg sind eine der beliebtesten Attraktionen für eine Tour in den Westen und sollte unbedingt auf euer Island Programm. Im Sommer tummeln sich hier die Papageientaucher ebenso wie eine Vielzahl anderer gefiederter Gefährten.
Ebenfalls in den Westfjorden liegt die gerne von Puffins angeflogene Insel Vigur, die ihr prima per Bootsausflug von Ísafjörður aus besuchen könnt. Einer der Top-Spots zur Vogel-Beobachtung ist der Breiðafjörður, zwischen den Westfjorden und Snaefellsnes. Ab Stykkishólmur werden Touren zu Fjord-Inseln wie Þórishólmur oder Steinaklettar angeboten.
Norden: Puffin-Tausendschaften
Papageientaucher scheuen auch den Norden von Island nicht – ihr solltet es ihnen gleich tun: Unsere gefiederten Freunde finden sich beispielsweise entlang des Diamond Circle. Der knapp 260 km lange Loop ist wesentlich weniger touristisch abgefahren als der Golden Circle, hier könnt ihr unter anderem Highlights wie den Dettifoss, den Godafoss oder die Tjörnes Halbinsel in herrlicher Ruhe erkunden.
Ein beliebter Tummelplatz für die Zweibeiner ist auch der orange Leuchtturm am Ende der Halbinsel Tjörnes bei Voladalstorfa (ca 12 Kilometer von Husavik entfernt). Den malerischen Wanderweg zum Leuchtturm spaziert ihr in 10 Minuten ab – wenn ihr euch nicht ständig von der spektakulären Szenerie ablenken lasst.
Gekrönt wird die Vista dann von den wuseligen Vogel-Kolonien. Aber Vorsicht: Die Klippen sind hoch und wenn ihr zu nahe ran kommt, stört ihr die Papageientaucher beim Nisten.
Vor Husavik gilt auch die Insel Lundey als regelmäßige Anflugstelle von Puffin-Tausendschaften. Ein Aufenthalt auf der Insel ist zwar nicht möglich, ab Husavik könnt ihr aber eine Boots-Tour bucne, die euch an der Insel vorbei führt.
Ihr mögt es noch etwas abenteuerlicher? Weiter draußen auf dem Meer liegt Grímsey. Die Insel fliegt ihr von Akureyri mit dem Flugzeug an oder ihr nehmt die gut dreistündige Fähre von Dalvík aus.
Osten: Abenteuer pur
Wo wir schon beim Abenteuerflair sind: „Off the beaten path“ ist auch die Insel Papey im Osten von Island. Bis 1948 bewohnt, hat sich heute eine rege Vogelwelt auf der kleinen Insel ausgebreitet. Lasst euch von der Atmosphäre der Insel bezaubern.
Vielleicht wird euch bei der Wanderung entlang der verlassenen alten Häuser und der ältesten Holzkirche von Island ein ähnliches Gefühl zwischen Romantik und Nostalgie ergreifen wie uns. Die Abgeschiedenheit macht es euch vor allem möglich, die Papageientaucher in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten. Im Sommer führt ein Boot von Djúpivogur aus nach Papey.
Am Hafen Borgarfjarðarhöfn bei Bakkagerði tummeln sich die geflügelten Zweibeiner ebenfalls besonders gern. Tipp: Der Holzsteg, der euch auf den Álfaborg Felsen führt und einen guten Blick auf Papageientaucher gewährt, ist im Mai während des Nestbaus geschlossen. Und auch in Hafnarhólmi gibt es einen beliebten Vogel-Ausblick.
Unser Fazit: Wenn ihr den richtigen Monat erwischt, werdet ihr überall in Island von watschelnden Vogel-Gefährten umgeben sein. Ihr müsst eigentlich nur noch dafür sorgen, dass die Kamera-Batterie immer aufgeladen ist. Der Charme der kleinen Puffins übernimmt den Rest!
Fotos: unsplash: Anina Huber, Glen Hooper, Gissur Stenarsson, Hans Jürgen Mager, Hari Nanakumar, Jolan Wathelet (3),Jonatan Pie (2), Khamkeo Vilaysing, Kristinn Runarsson, Michael Blum, Nicholas Kampouris, Rod Long, Thomas Somme, Yves Alarie, Zhu Hongzhi